Aus Empörung über die Ansprache eines russischen Abgeordneten haben Tausende Demonstrantinnen und Demonstraten versucht, das georgische Parlament in der Hauptstadt
Tiflis zu stürmen. Einsatzkräfte der Polizei drängten die Menschen
zurück, zahlreiche Demonstranten versuchten aber weiterhin, in das Parlament zu
gelangen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Zuvor hatten sich Zehntausende im
Zentrum Tiflis’ versammelt und den Rücktritt von Parlamentspräsident Irakli Kobachidse gefordert. Das Innenministerium drohte mit einem harten Durchgreifen der Polizei.
Etwa 10.000 Menschen durchbrachen Polizeisperren und gelangten in den
Innenhof des Parlaments, wurden aber zurückgedrängt. Auslöser der Unruhen war
eine Ansprache des russischen kommunistischen Abgeordneten Sergej Gawrilow vom
Platz des Parlamentspräsidenten aus während einer internationalen
Veranstaltung. Die Demonstranten fürchten, dass Russland
an Einfluss in der Ex-Sowjetrepublik gewinnen könnte.
Gawrilow sprach während eines alljährlich stattfindenden Treffens der
Interparlamentarischen Versammlung für Orthodoxie (IAO), einem Forum von
Abgeordneten aus überwiegend christlich-orthodoxen Ländern. Eine Gruppe
georgischer Oppositioneller forderte die russische Delegation auf, den
Plenarsaal des Parlaments zu verlassen.
Auf der Demonstration im Zentrum der Hauptstadt hielten viele Demonstranten
die georgische und die EU-Flagge hoch und schwenkten Transparente mit der
Aufschrift “Russland ist ein Besatzer”. Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili kritisierte die Tagung als
Versuch des Nachbarlandes, um politische Ziele zu verfolgen. “Für Russland ist
dies die übliche Methode”.
Die Beziehungen zwischen dem prowestlich ausgerichteten Georgien und Russland sind seit Jahren angespannt.
Russland betrachtet die ehemalige Sowjetrepublik Georgien
als seine Einflusssphäre. Das Bestreben Georgiens,
der EU beizutreten und Nato-Mitglied zu werden, sorgt seit Jahren für Konflikte
mit Russland. Diese gipfelten am 8. August 2008 in einem kurzen, aber verlustreichen
Krieg um die von Tiflis abtrünnigen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien.
Georgien hatte mit dem von ihm
begonnenen Krieg versucht, die abtrünnigen Gebiete wieder in sein Territorium
einzugliedern. Doch die russischen Truppen überrannten die georgische Armee
innerhalb von fünf Tagen. In dem Krieg kamen Hunderte Soldaten und Zivilisten
ums Leben. Im Anschluss erkannte Moskau die Unabhängigkeit der
Separatistenregionen Süd-Ossetien und Abchasien an und errichtete dort
Militärstützpunkte. Tiflis und seine westlichen Verbündeten verurteilten den
Schritt als “illegale militärische Besetzung”. Die beiden Regionen
machen 20 Prozent des georgischen Staatsgebiets aus.
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