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Cord: Rippschick

Der Stoff, der am engsten mit der Sozialdemokratie verbunden ist, heißt Cord. In den Sechziger- und Siebzigerjahren machte ihn sein robustes Arbeiterklassenflair populär, als Intellektuelle in ausgebeulten Cordhosen Distanz zu den Eliten zeigen wollten. In den glitzernden Achtzigerjahren wurde er dann plötzlich unerhört unmodern, und in den Neunzigern war er fast nur noch an sozialdemokratischen Schriftstellern zu sehen. Heute geht es der Sozialdemokratie schlecht wie nie, der Cord hingegen erlebt einen Aufschwung: Breiter Cord ist in etlichen Kollektionen zu sehen, bei Brunello Cucinelli beispielsweise in warmen Holztönen, bei Marc Jacobs in Weinrot und bei Tory Burch in Steingrau. Es gibt Jacken, Röcke und Hosen in Cord, Letztere vorzugsweise mit einem gewissen Retro-Schlag.

Cordstoff ist ein enger Verwandter des Samts. Samt ist in Europa als Gewebe schon seit dem 14. Jahrhundert bekannt. Die besonders weiche Oberfläche entsteht durch einen kurzen Fadenflor. Cord wird ganz ähnlich hergestellt, nur dass der Flor nicht breitflächig, sondern gerippt verläuft. Deswegen wird Cord in Frankreich
velours côtelé
genannt, gerippter Samt. Seinen Durchbruch erlebte der Cord im 19. Jahrhundert, als er auf den maschinellen Webstühlen in der Industriestadt Manchester in Massen produziert wurde. Man fertigte ihn aus Baumwolle, was dem Gewebe eine große Haltbarkeit und auch seinen Namen verlieh:
corduroy
– eine Synthese aus
cord
(Seil) und
durable
(haltbar). Der Cordstoff war sehr abrieb- und reißfest und deswegen ideal für Arbeitsbekleidung geeignet. Noch heute zeugt die traditionelle Kleidung mancher Handwerkszünfte, etwa der Dachdecker, davon.

Früher war Cord fest mit der Arbeiterklasse verbunden und ein sehr zweckorientiertes Gewebe: Wer Cord trug, war frei von Eitelkeiten – was ihn wiederum zur Pflichtkleidung all derer machte, die herausstellen wollten, dass sie nichts mit dem Establishment am Hut haben. Cord war noch ein Lieblingskleidungsstück der Linken, als die Arbeiterklasse schon kaum mehr Cord trug. Auch wenn der Gewerkschaftsfunktionär längst total in der Bürokratie aufgegangen war, so hatte er doch eine Cordweste an, um klarzumachen, dass sein Herz weiterhin links schlug.

Leider hat der Arbeiter als Identifikationsfigur mittlerweile ausgedient, und so verschwand auch der Cord für längere Zeit aus der Mode. Nun ist er wieder da – allerdings mitunter in einer Preislage, die ihn unverdächtig macht, ein Symbol gegen das Establishment zu sein. Aber man sagt der Mode ja nach, dass sie der Politik um ein paar Jahr voraus ist. Vielleicht kommen die großen Zeiten der Sozialdemokratie ja auch bald zurück.

Foto: Peter Langer / Auf Linie: Breitcord-Oberteil von Brunello Cucinelli

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