Laut und bunt, plakativ und instagrammtauglich – so geht es meist auf der Art Basel zu, der größten und wichtigsten Kunstmesse der Welt. Doch in diesem Jahr gibt es inmitten dieser bunten Kunstblase eine Arbeit, die heraussticht. Sie erscheint nüchtern, sie findet ihren ganz eigenen, eindringlichen Ton – und behandelt ein höchst politisches Thema: die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat von Istanbul.
Der Schöpfer dieser Arbeit, Abdulnasser Gharem, gilt als der bedeutendste und klügste Künstler seines Landes. Zwanzig Jahre lang war Gharem Soldat in der saudischen Armee, er erlebte hautnah, wie zwei ehemalige Klassenkameraden sich islamistischen Terrorgruppen anschlossen und sich am Anschlag des 11. September 2001 beteiligten, dem Attentat auf das World Trade Center. Was macht Menschen zu Extremisten, woher kommt die Gewalt, fragt Gharem. Es ist eine Frage, die auch bei dem neuen Werk, das er in Basel zeigt, eine Rolle spielt. The Safe, so der Titel der Arbeit, ist eine Sensation – eine Installation, wie man sie in dieser Wucht selten gesehen und erlebt hat.
In der Sektion Unlimited in Basel führt gleich am Eingang eine kleine, unscheinbare Tür aus dem Messetrubel in eine Parallelwelt. Die markante weiße Markise, unter der hindurch man einen Raum betritt, erinnert an eine, die man von Überwachungskamerabildern kennt, die vergangenes Jahr im Herbst weltweit kursierten: Der saudische Journalist Jamal Khashoggi, Kolumnist der Washington Post und als Kritiker des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bekannt, betrat am 2. Oktober 2018 das Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul, um dort Papiere für seine bevorstehende Hochzeit zu besorgen; auf den letzten Bildern, die von Khashoggi existieren, steht er unter jener Markise am Eingang des Konsulats. Er wurde nie wieder gesehen. (Die Washington Post hat den Fall ausführlich dokumentiert.)
Das Grauen einer Gummizelle
Es gilt als gesichert, dass der Journalist in dem Konsulat ermordet wurde, mutmaßlich von einem 15-köpfigen Team saudischer Geheimdienstmitarbeiter; ein Mitglied der Gruppe soll ein Gerichtsmediziner gewesen sein, der die Leiche Khashoggis noch an Ort und Stelle zersägt haben soll. Wo sich die Leichenteile befinden, ist bis heute unbekannt.
Wer nun auf der Art Basel durch jene Tür ins Innere des Raums dahinter gelangt, erlebt das Grauen einer steril weißen Horrorzelle auf sechs mal vier mal drei Metern am eigenen Leib. Der Raum erinnert an eine Gummizelle, wie man sie in Gefängnissen oder in der Psychiatrie findet.
Die Galeristin Brigitte Schenk, die den Künstler seit vielen Jahren vertritt und nun in Basel in Kooperation mit der Galerie Nagel Draxler zeigt, betont, dass die Anspielungen subtil sind: “Die Installation, die man sich als einen White Cube vorstellen kann, bewegt sich mit nur wenigen Hinweisen auf die Fernsehbilder zu, die wir alle noch von der Berichterstattung über Khashoggi im Kopf haben.” Die weiß gepolsterte Gummizelle ließe sich als Metapher verstehen “für die Ohnmacht, für die Sprachlosigkeit, die Hilflosigkeit, in der sich Jamal Khashoggi befunden hat”.
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