Ob sich Wilhelm Wieben auch nur einmal versprochen hat? In den fast 25 Jahren, in denen er die Tagesschau um 20 Uhr gesprochen hat. Wilhelm Wieben wirkte korrekt bis in die Haarspitzen, sachlich in seiner sonoren Stimme und jederzeit stilsicher in seiner Kleiderwahl. Nicht nur bei Deutschlands meistgesehener Nachrichtensendung, sondern auch später, bei seinen Bühnenauftritten.
Geboren 1935 in Hennstedt in Schleswig-Holstein, ging Wieben nach einer Verwaltungslehre zur Schauspielausbildung an die Max-Reinhardt-Schule nach Berlin. Anfang der Sechzigerjahre wurde er Fernsehansager beim Sender Freies Berlin und Sprecher für alle Programmsparten bei Radio Bremen. Für den Sender kündigte er unter anderem den Beat Club an, eine Musiksendung für Jugendliche – damals ungewöhnlich und ungewöhnlich auch, dass Wieben quasi mal ein Rocker oder wenigstens ein Rock-‘n’-Roller war. “In wenigen Sekunden beginnt die erste Show im Deutschen Fernsehen, die nur für euch gemacht ist”, sagte Wieben und bat ältere Zuschauer in seiner Anmoderation “um Ihr Verständnis”. Immerhin nicht um Erlaubnis.
1966 ging er nach Hamburg, zum NDR. Wieben arbeitete zunächst im Off für ARD-aktuell. 1972 ging es ins On, via Tagesschau wurde er für das Publikum sichtbar, 1974 folgte der Ritterschlag: Wilhelm Wieben las die Tagesschau um 20 Uhr. Seinen Abschied, fast 25 Jahre später, nahm er ohne großes Aufsehen: “Wir melden uns wieder um 22:30 Uhr mit den Tagesthemen.” Später sagte er, er nehme die “Erinnerung an eine sehr schöne Zeit” mit. “Kein Bedauern, dass es nicht mehr ist, wie es nun so viele Jahre gewesen ist.”
Wieben moderierte in den Siebziger- und Achtzigerjahren auch Radiosendungen auf NDR 2. 1976 begann er mit plattdeutschen Lesungen, später schrieb er Bücher auf Plattdeutsch – was er als seine Muttersprache bezeichnete – und sprach Hörbücher ein. Gelegentlich war er auch noch im Fernsehen zu sehen, vor allem aber auf Hamburger Bühnen.
Von 1981 bis 1990 trat er insgesamt mehr als 60 Mal als Bassa Selim in Mozarts Entführung aus dem Serail auf, noch häufiger spielte er 1995/96 Kaiser Franz Joseph im Weißen Rössl. Mit seinen ehemaligen Kollegen Dagmar Berghoff und Jo Brauner analysierte er im Tivoli-Theater zum Beispiel moderne Redensarten. Die Aussage “geht gar nicht” beschrieb er in einem Auftritt etwa als “kürzlich aufgekommene, entrüstete Bekundung, dass ein modisches Kleidungsstück nicht akzeptabel” sei.
Wieben selbst war immer “akzeptabel” gekleidet. 1983 wurde er deshalb vom Deutschen Mode-Institut als “Krawattenmann des Jahres” ausgezeichnet. Und so behalten ihn viele auch in Erinnerung: korrekt, sachlich, stilsicher. Und den Zuschauern wie den Menschen zugewandt: Wieben setzte sich nicht nur mit Lesungen und seinem Engagement für die Aktion “Augen auf!” für hilfsbedürftige Menschen ein.
Wilhelm Wieben starb am 13. Juni im Alter von 84 Jahren in Hamburg.
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