Hinter dem weißen Cover mit der schwarzen Schrift verbergen sich 15 Tampons. Das ist kein neues Hilfsmittel, um sich unauffällig mit Nachschub zu versorgen. Das Tampon Book will vielmehr ein “Buch gegen Steuerdiskriminierung” sein. Auf Bücher werden in Deutschland nämlich nur sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben, so wie auf Trüffel oder Kaviar. Für Damenhygieneprodukte wird dagegen der Luxussteuersatz fällig. Wer sich während der Periode also verwöhnen und sich die Tampons nicht in fleißiger Heimarbeit selbst spinnen will, der muss auf die Presswatte in exklusivem Weiß eben 19 Prozent zahlen.
Diese absurde Mehrbesteuerung hat sich das Stuttgarter Start-up The Female Company zunutze gemacht, um auf seine Tampons aus Biobaumwolle aufmerksam zu machen. “Wir haben das Buch an 100 Politiker im Bundestag geschickt und die Grünen und die Linken haben uns zum Gespräch eingeladen, um über einen Gesetzesentwurf zu reden”, sagt die Gründerin Ann-Sophie Claus. “Die Themen Gleichberechtigung und Empowerment laufen seit einigen Jahren und wir Frauen wollen in keinerlei Hinsicht mehr benachteiligt sein – auch nicht bei der Tamponsteuer.” Schon letzten Sommer hatten zwei Hamburgerinnen eine Onlinepetition gestartet, die die Senkung der Steuer fordert. Mehr als 170.000 Menschen haben bislang unterzeichnet. Jetzt wird sich auch der Bundestag mit dem Thema befassen, denn der Kondom- und Periodenproduktehersteller Einhorn hat in Kooperation mit NEON.de die Bedingungen für eine Bundestagspetition erfüllt und mindestens 50.000 Unterschriften innerhalb von vier Wochen gesammelt.
Die Menstruation hat gerade ihr Momentum. Weil sie so eng verbunden ist mit den Debatten über Feminismus und Empowerment und mit anderen Trendthemen wie Body Positivity und Frauengesundheit. Die Monatsblutung sollte nicht länger stigmatisiert werden, fordern Aktivistinnen – und sprechen offen darüber. Vor allem in den sozialen Netzwerken: Unter Hashtags wie #LiveTweetYourPeriod, #endperiodshame, #periodpositive, #periodproud, #iloveperiods oder dem indischen #happytobleed erproben Userinnen einen unverkrampften Umgang mit ihrer Periode und bringen das Thema in die öffentliche Wahrnehmung.
Auf diesen Zug sind auch Start-ups aufgesprungen, denn Aufmerksamkeit ist ihnen sicher. Nach jahrzehntelangem Stillstand gibt es deshalb neue Produkte im Drogeriemarktregal. Zum ersten Mal finden Frauen Alternativen zu den Marken ihrer Mütter, deren Hauptverkaufsargument Diskretion war und ist. Das alles könnte dazu führen, dass sich der verschämte und repressive Umgang mit der Periode endlich normalisiert.
“Wir wollten eine Marke aufbauen, die das Tabuthema frech und laut angeht”, sagt Ann-Sophie Claus. “Auf unseren Versandkartons steht zum Beispiel ,Läuft bei dir?‘. Daraufhin haben uns einige ältere Frauen geschrieben, sie wollten nicht, dass der Briefträger mitbekommt, dass sie gerade ihre Periode haben. In der jüngeren Generation ist diese Lockerheit dagegen genau gewollt.”
Dieser neuen Deutlichkeit haben die sozialen Medien auch den Weg in die klassischen Medien geebnet, wo sie vorher tabu war. Ein Facebook-Post der kanadischen Schriftstellerin Rupi Kaur wurde vor vier Jahren mehrere Millionen Male angeschaut und Tausende Male geteilt. Sie schaffte es damit unter anderem in die BBC, den Independent und den Telegraph. Eins der Fotos von Kaur zeigt eine bekleidete Frau, auf einem Bett liegend, mit dem Rücken zum Betrachter. Auf ihrer Hose und auf ihrem Laken ist jeweils ein kleiner Blutfleck zu sehen. Zunächst hatte Rupi Kaur das Bild auf Instagram gepostet, aber die Website hatte es zweimal gelöscht. Kaur wehrte sich. “Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich nicht das Ego und den Stolz einer misogynen Gesellschaft füttere, die meinen Körper in Unterwäsche, aber nicht mit einem kleinen Leck o. k. findet”, schrieb sie an Instagram. Viele Userinnen haben daraufhin eigene Menstruationsfotos gepostet. Es waren Akte der Selbstermächtigung und des Widerstands gegen den männlich dominierten Blick auf den Frauenkörper.
Viele Frauen aus einer jungen Generation, die mit Charlotte Roches Feuchtgebieten oder der Serie Girls erwachsen geworden ist, sehen es nicht mehr ein, dass ihre Periode scham- oder angstbesetzt sein soll. Andererseits setzt sich aber der verhuschte Umgang mit der Monatsblutung fort. Frauen können Kolleginnen problemlos um ein Taschentuch bitten – auch hierbei geht es um eine Körperflüssigkeit, die man eigentlich zu verbergen sucht. Die Frage nach einem Tampon kommt einem aber weniger leicht über die Lippen: Sie hat etwas Grenzüberschreitendes.
Vielleicht hilft das neue Perioden-Emoji gegen die Sprachlosigkeit, das im Verlauf des Jahres überall verfügbar gemacht werden soll. Das Kinderhilfswerk Plan hat verschiedene Varianten davon beim Unicode-Konsortium vorgeschlagen, das beschließt, welche Zeichen Eingang in die Handytastaturen finden. Es hat sich für eine multiple Symbolik entschieden, einen Blutstropfen, der noch für “Medizin” und “Blutspende” steht. Das zeigt: Die Scheu davor, dass Periode zu sehr nach Periode aussieht, ist noch da.
Kein Wunder, denn der Weg zum neuen menstruellen Selbstbewusstsein war ziemlich lang. In den vergangenen Jahrtausenden, Jahrhunderten und sogar noch Jahrzehnten war man der Monatsblutung extrem feindlich gesonnen; sie wurde zu einer Bedrohung für die ganze Menschheit stilisiert. “Es gibt kein Gift in der Welt, das schädlicher ist als das menstruum“, erklärte Paracelsus. Bis ins 20. Jahrhundert hinein glaubte man, Menstruationsblut sei giftig. Der Wiener Arzt Béla Schick hatte 1920 ein vermeintliches Gift im Schweiß menstruierender Frauen ausgemacht, das er Menotoxin nannte. Noch in den Siebzigerjahren wurde seine Existenz in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet diskutiert.
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