Der Bundestag hat mit einer Reihe von Gesetzesänderungen das Asyl- und Aufenthaltsrecht verschärft. In namentlicher Abstimmung beschloss das Parlament ein Gesetz zur “besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht”. 372 Abgeordnete stimmten dafür, 159 dagegen, 111 enthielten sich.
Abschiebehaft wird durch das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz erleichtert. Auch dürfen Asylsuchende künftig bis zu 18 Monate und nicht wie ursprünglich geplant
nur sechs Monate in zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht
werden. Die Bundesländer können Abschiebehäftlinge bis 2022 auch in Gefängnissen unterbringen, wenn auch räumlich getrennt
von anderen Strafgefangenen. Für abgelehnte Asylbewerber, die ihre Abschiebung verhindern wollen, indem sie nicht am Beschaffen der dafür nötigen Dokumente mitwirken, werden zudem Sonderreglungen erlassen: Es wird ein Status geschaffen, der sie gegenüber anderen Geduldeten rechtlich schlechter stellt.
Für ihre Wohnunterkünfte wird Flüchtlingen der Aufwand für Strom und Instandhaltung künftig als Sachleistung
gewährt, die Leistungen für Menschen in Sammelunterkünften werden
gekürzt. Erleichtert wird aber auch der Zugang zu Ausbildung sowie Integrations- und Sprachkursen. Allerdings gibt es einen
Stichtag: Viele Verbesserungen gelten nur für
Flüchtlinge, die vor dem 1. August 2019 eingereist sind.
Für das Gesetz zur “Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches” stimmten die Koalitionsfraktionen aus Union und SPD, außerdem die AfD – die anderen Fraktionen stimmten dagegen.
Während der emotional geführten Debatte im Bundestag verteidigten Koalitionspolitiker wie Bundesinnenminister Seehofer (CSU) und die SPD-Innenpolitikerin Eva Högl die Gesetze. “Einer Pflicht zur Ausreise muss auch eine tatsächliche Ausreise folgen”, sagte Seehofer etwa.
Linke und Grüne gegen SPD
Die Opposition kritisierte die Verschärfungen. Ulla Jelpke von der Linksfraktion sagte, dass die Koalition die Gesetze im Eiltempo ändere. Die “Horrorgesetze” seien “voller Schäbigkeiten” und zum Teil europarechtswidrig. Gottfried Curio von der AfD sagte, wenn so viele Abschiebungen scheitern, sollte “man vielleicht mal die Grenzen schützen”. “Nazis raus aus dem Bundestag”, rief ein Abgeordneter, als Curio forderte, auch wieder nach Syrien abzuschieben oder allgemein Integration “in Richtung Heimatland” zu verstärken. Die AfD-Fraktionsspitze beschwerte sich unmittelbar nach dem Zwischenruf bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Der erteilte daraufhin dem Zwischenrufer Michael Brandt einen Ordnungsruf.
Linke und Grüne warfen der SPD vor, sie habe sich gegen eigene
Überzeugung für diesen Gesetzentwurf entschieden, der die Hürden für
Abschiebegewahrsam senkt und eine Unterbringung von Abschiebehäftlingen
in normalen Gefängnissen erlaubt. Filiz Polat (Grüne) sprach von einem “schwarzen Tag für die Demokratie”. Der SPD-Innenpolitiker
Helge Lindh wies das zurück und verwies auf die Abschiebungen aus
Bundesländern, in denen die Grünen mitregieren.
Schon vor der Debatte hatte Linke-Chefin Katja Kipping die Gesetzesänderungen als “neuen, schäbigen Höhepunkt” der von der großen Koalition verfolgten Beschneidung von Menschenrechten bezeichnet. Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sprach wie die Abgeordnete Jelpke von einem “Hauruck-Verfahren”. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bezeichnete die neuen Abschiebungsregelungen als “die Verabschiedung von humanitären und
rechtsstaatlichen Grundsätzen, die wider alle Fakten schöngeredet
wird”. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte bemängelte, die Gesetzesänderungen führten zu “weitreichenden Einschnitten in die Grund- und Menschenrechte von
Geflüchteten und Migranten”.
Der NRW-Integrationsminister Joachim Stamp von der FDP hatte kritisiert, dass ausreichend Chancen für gut integrierte Geduldete fehlten. “Das ist nicht nur humanitär unverantwortlich, sondern auch volkswirtschaftlich dämlich”, sagte er. SPD und Union hatten sich dagegen entschieden, einen sogenannten Spurwechsel von Asylbewerbern auf den Weg der Arbeitsmigration zu ermöglichen.
Der Abgeordnete Thorsten Frei wiederholte in der Debatte die Argumentation der Unionsseite, es gebe kein Recht auf ein Asylverfahren im Staat der eigenen Wahl. Es gehe darum, “Recht durchzusetzen”, sagte er im Hinblick auf die sogenannten Dublin-Regelungen. Die SPD nahm für sich in Anspruch, ein besonders restriktives Abschieberecht verhindert zu haben. “Masseninhaftierungen und andere unmenschliche Dinge tauchen im Gesetz
nicht mehr auf, weil wir das verhindert haben”, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Auf der Tagesordnung steht zudem die Abstimmung über einen zwischen den
Koalitionsfraktionen abgestimmten Gesetzentwurf, der das Einwandern von
Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland erleichtern soll.
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