/Deutschlehrerin: “Ohne Zuverdienst würde ich im Monat unter 800 Euro haben”

Deutschlehrerin: “Ohne Zuverdienst würde ich im Monat unter 800 Euro haben”

Immer mehr Deutsche sind von Altersarmut
betroffen. Studien zufolge gelten zurzeit etwa 16 Prozent der Rentnerinnen und
Rentner als arm, bis 2036 wird voraussichtlich jeder fünfte Rentner betroffen
sein. Hier berichtet Maria*, wie es ist, als 77-Jährige weiter arbeiten zu
müssen, statt mit den Freundinnen Tee zu trinken und ins Theater zu gehen.

Vergangenen Monat bin ich 77 Jahre alt geworden – jetzt habe ich fast 50 Jahre
meines Lebens gearbeitet. Und ich werde wohl auch noch bis zum Ende meines
Lebens weiterarbeiten. Ich bin alleinstehend und habe keine Kinder, von meiner
Mutter habe ich ein Häuschen geerbt, in dem ich lebe. Aber meine Rente reicht
trotzdem nicht.

Ich bin promovierte Philosophin, habe zudem Griechisch und Archäologie
studiert. Damit findet sich nicht so leicht eine Stelle. Darum bin ich Mitte
der Siebzigerjahre nach Paris gegangen und habe noch ein Psychologiestudium
begonnen. Das fand ich aber so langweilig, dass ich schnell wieder aufgehört
habe. In Paris bin ich trotzdem geblieben und habe dort Deutsch als
Fremdsprache unterrichtet. Le vacataire hieß die Form, in der ich gearbeitet
habe, auf gut Deutsch: Lückenbüßer. Ich habe Vertretungen und Aushilfestellen
übernommen, das war gar nicht so schlecht, renten- und krankenversichert war
ich damit auch.

“Ohne meine Arbeit könnte ich mir meinen Hund nicht leisten.”

Maria*, Rentnerin aus der Nähe von Kaiserslautern

Nach fast 20 Jahren in Paris ging ich zurück nach Deutschland, um mich
um meine Mutter zu kümmern. Wir haben zusammen in ihrem Häuschen gelebt, später
kam noch eine alte Tante dazu, für die ich ebenfalls gesorgt habe. In der Zeit unterrichtete
ich weiterhin Deutsch an einer Handelsschule und Philosophie an der
Volkshochschule. Oft acht Stunden am Tag, abends bereitete ich die Kurse vor. Manchmal
hatte ich viele Lehraufträge, manchmal wenige, mein Verdienst schwankte. Daher
lebte ich immer sparsam. Ich fuhr zum Beispiel nie in den Urlaub, ich habe
schon immer meine Kleider selbst genäht und gestrickt. Ich besitze auch bis
heute weder einen Kühlschrank noch einen Gefrierschrank – ein kalter Keller und
ein elektrischer Einkochtopf genügen mir. Damit spare ich Strom und tue
auch noch der Umwelt etwas Gutes.

Ich zahlte zwar immer in die Rentenkasse ein und erhalte heute sowohl
aus Frankreich als auch aus Deutschland eine Rente. Aber viel konnte ich eben
nicht zurücklegen. So bekam ich zum Renteneintritt erst mal einen Brief: Ich
solle die Grundsicherung beim Sozialamt beantragen, weil meine Rente so gering
ausfalle. Das habe ich nicht gemacht. Um eine Grundsicherung zu bekommen, hätte
ich mein Häuschen verkaufen müssen. Man darf zwar eine Eigentumswohnung oder ein Haus von
angemessener Größe besitzen – aber das Grundstück, das zu meinem Haus gehört,
wäre dafür zu groß gewesen. Ich habe einen riesigen Garten mit Beeten und
Obstbäumen – im Sommer kann ich größtenteils davon leben, was ich selbst
anbaue. Das wäre ohne Haus nicht möglich. Und ohne meinen Hund, der bereits 14
Jahre alt ist, der den Garten braucht und liebt und den ich mir aus meinem
Leben einfach nicht wegdenken kann, würde ich mich sehr einsam fühlen.

Daher habe ich auch nach der Rente einfach weitergearbeitet. Mein
monatliches Einkommen würde ohne den Zuverdienst durch meine Arbeit unter 800
Euro liegen. Momentan unterrichte ich an drei Nachhilfeschulen. Ich lebe auf
dem Land, bin viel unterwegs. Ich fahre mit dem Auto 20 bis 30
Kilometer in die verschiedenen Städte, in denen die Schulen sind.

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