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CDU: Aus der Fassung

Als die SPD, die Partei der linken Mitte, mehr und mehr von Schwindsucht
erfasst wurde, da dachte man: Aber es gibt immer noch die CDU! Als die CSU in Gestalt von
Horst Seehofer gegen die eigene Schwesterpartei Amok lief, da dachte man: Aber es gibt immer
noch die CDU! Als die einstmals so staatstragende FDP sich gegen die Regierungsverantwortung
entschied, da dachte man: Aber es gibt immer noch die CDU! Solange diese Stange hält, so lange
steht auch das Zelt der alten deutschen Mitte.

Und nun das.

Die CDU hat mit dem Rückzug von Angela Merkel ihre Vorsitzende verloren, ihren Kompass und – was noch wichtiger ist: ihre machtpolitische Unerschütterlichkeit.

Und die CDU, die Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl, weiß es. Deshalb suchen Annegret Kramp-Karrenbauer und all die anderen instinktiv Halt in der klassischen Rolle: Sie versprechen, Mittler zu sein, etwa zwischen Klimaschützern und Klimaleugnern. Sie versprechen, für Stabilität in der Koalition zu sorgen. Nur: Warum klappern die Schwarzen dann so mit den Zähnen? All die Mitte-Gesten wirken hohl.

Was wir jetzt kennenlernen, das ist die CDU, die Angela Merkel zwanzig Jahre vor der Öffentlichkeit verborgen hat: die Union mit ihren Vorurteilen, mit der überkommenen Machtbräsigkeit und Mehrheitsarroganz, der trüben Männlichkeit. Dass diese alte CDU nun wieder hervortritt, hat aber nicht nur mit dem allmählichen Verschwinden von Angela Merkel zu tun. Die Gründe dafür liegen tiefer.

Auf mindestens zwei Feldern ist die CDU historisch aus der Kurve geflogen: beim Klima und bei der Digitalisierung. Gleich zweimal sieht sie sich vor eine Aufgabe gestellt, die der Maß-und-Mitte-Kirche-im-Dorf-Partei zutiefst fremd ist: die planvolle, demokratisch legitimierte Gestaltung einer Revolution.

Beim Klima flüchtet sich die CDU in stets erneuerte Versprechungen sowie in milde Relativierungen nach dem Muster: Klima ist wichtig, ABER die Wirtschaft, ABER das Soziale. Anstatt zu sagen: Wir halten die Pariser Vereinbarungen strikt ein, sind aber die Einzigen, die das ökonomisch und sozial richtig hinkriegen – hier ist unser Konzept.

Dieses Konzept aber hat die Union nicht, weil es sie aus der politischen Methode führen würde, die sie über siebzig Jahre erfolgreich praktiziert hat: Schritt für Schritt, möglichst wenig Programm, bloß keine Hektik.

Bei der Digitalisierung hüllt sich die CDU in oft naive, stets folgenarme Bewunderung. Ganze Regale an Fachliteratur, aber auch an filmischen und literarischen Dystopien scheinen an der Partei vorbeigegangen zu sein.

Der tiefe Widerspruch zwischen der moderaten Politik-Methode und einigen durch Moderation nicht mehr zu bewältigenden Problemen bringt die CDU an eine gefährliche Weggabelung. Entweder, sie entschließt sich dazu, in einigen Bereichen eine für ihre Verhältnisse revolutionäre Politik zu beginnen (selbstverständlich in konservativer Absicht, weil sich alles ändert, wenn nicht vieles verändert wird). Oder sie stärkt ihre Beharrungskräfte und Gestern-Illusionen, wird also reaktionär. Bewusst gemacht hat sich die Partei diese Alternative nicht. Vielmehr bewegt sie sich unter AKK seltsam schlafwandlerisch in Richtung reaktionär.

Nun zeigt sich, dass mindestens zehn Prozentpunkte der Merkel-CDU Leihstimmen von den Grünen waren. Und AKK scheint alles dafür tun zu wollen, diese Stimmen wieder loszuwerden. Ihr eigentliches Ziel ist natürlich, Wähler (Wählerinnen weniger) von der AfD zurückzugewinnen. Doch für jede Stimme, die sie mit ihrer konservativen Rhetorik und ihrer unterlassenen Zukunftspolitik von der AfD zurückholt, verliert sie zwei an die Grünen. Oder, wenn es sich um die knackjungen Wähler unter sechzig handelt, sogar drei bis vier. Das ist kein Nullsummenspiel, das ist überhaupt kein Spiel mehr, sondern ein Minusgeschäft, das die Union binnen weniger Jahre den Status als Volkspartei kosten kann.

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