/Parteienfinanzierung: Finanzamt entzieht CDU-nahem Verein die Gemeinnützigkeit

Parteienfinanzierung: Finanzamt entzieht CDU-nahem Verein die Gemeinnützigkeit

Die Nähe des Vereins “#cnetz” zur CDU ist nicht zu übersehen: Einer
der beiden Vorsitzenden, Thomas Jarzombek, ist seit 2009 direkt
gewählter Bundestagsabgeordneter, seit 2014 Kreischef der Düsseldorfer
CDU. Wer sich durch die Liste der Funktionäre in Vorstand und Beirat
klickt, findet ein Who’s who im Bereich Union und Digitalisierung –
von Digitalisierungs-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) über die
ehemalige hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) und
Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber bis zur Kieler
Wissenschaftsministerin Karin Prien, ebenfalls CDU.

Die Satzung
definiert als Zwecke des Vereins unter anderem, “das Bewusstsein für den
durch das Internet stattfindenden gesellschaftlichen Wandel zu
stärken”. Auch soll “die ökonomische Bedeutung der Digitalisierung
unserer Welt” vermittelt werden.

CDU-Nähe hin oder her – für das Berliner Finanzamt I
hörten sich diese Ziele so gut an, dass sie dem Verein die
Gemeinnützigkeit zusprach, Spenden sind also steuerlich abzugsfähig.
Noch. Denn vor ein paar Tagen hat die Behörde diesen Status wieder
aberkannt. Der Verein legte nach eigenen Angaben Widerspruch gegen die
Entscheidung ein, abschließend ist noch nicht entschieden. Es steht
vermutlich ein Rechtsstreit bevor ähnlich wie bei den Globalisierungskritikern von Attac.

Denen hatte der Bundesfinanzhof im Februar nach jahrelanger juristischer Auseinandersetzung die Gemeinnützigkeit wegen tagespolitischen Aktivismus aberkannt, eine seinerzeit kontrovers diskutierte Entscheidung. Zumal zwar einerseits Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, rechtsradikale Vereine wie das Hetzportal JouWatch sie immer noch haben.

Die Entscheidung gegen Attac fand die CDU noch gut

Die
Entscheidung, Attac Steuervorteile zu nehmen, fand die CDU noch gut.
Unionspolitiker zweifelten auch an der Gemeinnützigkeit anderer Vereine
wie der Deutschen Umwelthilfe,
die vor Gericht Fahrverbote für Diesel erwirkt hat. Nun, wo es um einen
der Partei nahestehenden Verein geht, ist die CDU weitaus weniger
sensibel. In “#cnetz” engagieren sich zahlreiche Unionspolitiker.

Personell
sieht das neben den bereits erwähnten Funktionären so aus: Der
thüringische CDU-Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski ist Beisitzer
im Vorstand, Axel Wallrabenstein, ehemals Bundesgeschäftsführer der
Jungen Union, Beiratsvorsitzender. Als geschäftsführender Vorstand
fungiert Carsten Ovens, für die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Britta Rottbeck, Vizechefin von “#cnetz”, leitet seit Anfang 2019 das
Referat Grundsatzfragen in der CDU-geführten NRW-Staatskanzlei, zuvor
war sie in der CDU-Bundesgeschäftsstelle unter anderem für das Thema
Digitalisierung zuständig. Immerhin findet sich mit Simone Probst, heute
Vizepräsidentin der Universität Paderborn, auch eine ehemalige
Grünen-Politikerin unter den Beiratsmitgliedern.

“#cnetz” sei “ein Verein, dessen Mitglieder aus allen Bereichen der
Gesellschaft stammen und welche ein bürgerliches Politikverständnis
eint”, steht auf der Homepage. Als “Think Tank” wolle er sowohl aktuelle
Themen aufgreifen, als auch “innovativ neue Ideen positionieren”. Eine
Parteimitgliedschaft werde nicht vorausgesetzt. Wohl aber solle ein
“gemeinsamer Wertekanon” geteilt werden. Praktisch aber ist der Verein
auch Dienstleister der CDU. Experten im Gemeinnützigkeitsrecht werfen
dem Verein “#cnetz” vor, dass er der CDU rechtswidrig Sachspenden
zukommen lässt.

Aus
der Nähe zur Union hatte “#cnetz” nie ein Hehl gemacht. Am vergangenen
Wochenende veröffentlichte der Verein ein Arbeitspapier von Jarzombek
und seinem Ko-Chef Jörg Müller-Lietzkow. Es erteilt der CDU vor dem
Hintergrund des Rezo-Videos konkrete Ratschläge, wie sie sich in Zukunft in ihrer Digital- und Innovationspolitik aufstellen soll.

Die CDU solle “eigene Influencer aufbauen”, rät “#cnetz”

In
dem sechsseitigen Papier heißt es, die CDU habe ihre “besondere Stärke”
beim Umgang mit digitalen Themen verloren, wie sich etwa in der
Auseinandersetzung um die Urheberrechtsreform gezeigt habe. Und dies,
obwohl es in den Unionsparteien “reichlich” geeignete Personen gebe,
“wie zum Beispiel die fast 500 Mitglieder des ,#cnetz’ belegen, von
denen viele Spezialistinnen und Spezialisten in vielen Fragen der
Digitalisierung sind”. Explizit bietet “#cnetz” der CDU “Kompetenz in den Sachfragen
und Hilfestellung in der Kommunikation” an. Da es in der Medienszene
eine Vorliebe für grüne und linke Sichtweisen gebe, müsse “die CDU
offenkundig andere, eigene Influencer aufbauen, die weniger vorgeprägt denken”.

Vereinschef Müller-Lietzkow quittiert die Entscheidung der Berliner
Finanzbehörde, “#cnetz” die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, mit
Unverständnis, trotz der parteipolitischen Nähe des Vereins. Er sagt:
“Wenn sich diese Haltung durchsetzt, werden viele Vereine Probleme
bekommen.”

Andererseits gibt er zu: “Das ,C’ in ,#cnetz’ steht
nicht für SPD.” Und: “Der Verein steht der Union näher als anderen
Parteien.” Müller-Lietzkow selbst ist parteilos und hebt hervor, dass er
eben erst im rot-grünen Hamburg zum Präsidenten der Hafen-Universität
berufen wurde. “Wir sind offener als die Leute es immer annehmen.”
Weniger glaubwürdig werde der Verein durch den Bescheid des Finanzamts
jedenfalls nicht. Und letztlich werde eine abschließende Entscheidung in
dem Verfahren zu akzeptieren sein. Jarzombek wollte sich am Dienstag
zunächst nicht äußern und will sich erst in die Details des
Schriftwechsels mit dem Finanzamt einlesen.

Die
Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann, Fachfrau ihrer Partei zum
Thema, stößt auf, dass “#cnetz” überhaupt als gemeinnützig eingestuft
werden konnte. Sie sagte am Dienstag dem Tagesspiegel: “Gemeinnützige
Vereine müssen parteipolitische Neutralität wahren. Sie dürfen an
Parteien nicht spenden. Das betrifft auch Sachspenden wie in diesem
Fall. Die CDU umgeht, wenn sie sich von ,#cnetz’ fördern lässt, die
Regeln für Parteienfinanzierung.

“Mit Blick auf die Debatte über Rezo und sein Video, laut dem die CDU sich selbst zerstört, fügt Rottmann hinzu: “AKK diskutiert über neue Regeln
im öffentlichen Meinungskampf. Ich kann der CDU nur raten, sich an
geltende Gesetze zu halten, bevor man sich neue Regeln für YouTuber
überlegt.”

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