Britt-Marie kann mit Fußball nichts anfangen. Von wegen
“Metapher fürs Leben”, wie es ihr Mann behauptet. Nein, der Fußball
könne keine Probleme lösen, meint Britt-Marie. Anders als etwa das Backpulver.
Ein paar Teelöffel davon und schon wird Wäsche wieder weiß. Britt-Marie ist
seit vierzig Jahren Hausfrau und ungeheuer gut in ihrem Job. Aber das allein
wäre noch lange kein Grund, einen Film über sie zu machen. Zur vollwertigen
Filmfigur wird sie erst, als sie ihren Traumjob verliert, weil ihr Mann eine
andere hat. Mit erstaunlicher Unsentimentalität packt Britt-Marie daraufhin
ihre Sachen und lässt sich vom Arbeitsamt den Job einer Freizeitbetreuerin in
einem sozial prekären, vernachlässigten Vorstädtchen zuweisen. Die größte
Herausforderung dabei: Sie soll die Jugendlichen im Fußball trainieren. Kein Backpulver kann ihr dabei helfen.
Auf den ersten Blick reiht sich der schwedische Film Britt-Marie war hier perfekt in die Welle der
“Silverager”-Filme ein, die seit einigen Jahren stetig, mit mal
kleinerem, mal größerem Ausschlag die Kinos erreicht. Filme, in denen von
Pierre Richard gespielte Senioren das Internetdating entdecken (Monsieur
Pierre geht online) oder britische Rentner um Judi Dench und Bill Nighy herum
in Indien ein besseres Leben für kleinere Altersbezüge suchen (Best Exotic
Marigold Hotel). Skandinavien leistete seinen Beitrag mit eher schwarzhumorigen
Komödien über alte Kauze wie Der Hundertjährige, der aus dem Fenster
stieg und verschwand oder auch Ein Mann namens Ove.
Für
letzteren schrieb Fredrik Backman die Vorlage, der auch für den Roman zu Britt-Marie war hier verantwortlich ist. Das Besondere an
Britt-Marie ist nun nicht nur, dass sich die Handlung um jenes Objekt der
Missbegierde dreht, um die Frau über 60, im Alter absoluter
“Unfuckability”. Sondern, dass diese Frau als Kinderlose keine
Mutterrolle einnimmt und als Hausfrau den Nichtberuf schlechthin hat.
Britt-Marie ist, wie unzählige Frauen in ihren unglamourösen
Heimversorgertätigkeiten, eigentlich eine Unsichtbare. Weshalb sich am Ende von
Tuva Novotnys Film der Titel Britt-Marie war hier als
Graffiti-Tag entpuppt, ein urbanes Zeichen der Existenzbestätigung, mit dem
sich die 62-Jährige in eine Gegenwart einschreibt, die von ihr eigentlich
nichts wissen will.
Eine freigeistige und originelle Alte mit Sex-Appeal
Mit seinem Fokus auf einer älteren
Frau lenkt Britt-Marie war hier indirekt den Blick darauf, wie
selektiv das Kino verfährt, wenn es um die ältere Generation geht. Wobei der
Punkt weniger die übliche strukturelle Ungleichheit ist, die den Clint Eastwoods, Robert Redfords, Pierre Richards und Gérard Depardieus dieser Welt
immer mehr Abenteuer zubilligt als den Meryl Streeps, Judi Denchs, Catherine
Deneuves und Maggie Smiths. Auf vier Gauner und Gentleman kommt immer
nur eine Florence Foster Jenkins. Eine so freigeistige und originelle Alte mit
Sex-Appeal wie Ruth Gordons Maude in Hal Ashbys Harold und Maude
von 1971 hat es in den vergangenen 50 Jahren überhaupt nicht wieder gegeben.
Am liebsten beschränkt das Kino seine alten Frauen auf zweierlei
Weise. Entweder es packt sie in eine Gruppe zusammen, wie einst in den Calendar Girls oder jüngst im wunderbaren Dokumentarfilm Tea
with the Dames oder demnächst wieder in Dancing Queens, in dem
Diane Keaton und Jacki Weaver sich noch einmal als Cheerleader ausprobieren
dürfen. Oder aber es hebt sie als Diva heraus. Catherine Deneuve im kürzlich
herausgekommenen, enttäuschenden Der Flohmarkt der Madame Claire
ist dafür das beste Beispiel. Selbstbezogen, wunderlich, aber doch ganz und gar
Frau, scheint der Film sagen zu wollen. Wobei die Diva per Definition für das
zwanghafte Festhalten an der Sichtbarkeit steht: Eine Diva gibt es nur da, wo
hingeschaut wird.
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