Knollen für Elektroautos
Manganknollen entstehen über Jahrmillionen, in denen
sich im Wasser gelöste Teilchen an festen Kernen wie etwa
Muschelschalen ablagern. Sie liegen auf dem Meeresgrund, können die
Größe eines Blumenkohls erreichen und enthalten viele begehrte Stoffe –
etwa bis zu drei Prozent Kupfer, Nickel und Kobalt. Die Europäische Union betrachtet Kobalt wegen seiner strategischen Bedeutung für die
Wirtschaft als kritischen Rohstoff. Denn ohne Kobalt gibt es keine
Lithium-Ionen-Akkus, die in Smartphones oder Laptops verbaut werden –
oder eben in Elektroautos. Zwischen 2001 und 2017 stieg die weltweite
Nachfrage nach Kobalt jährlich um 6,6 Prozent. Im vergangenen Jahr lag
die globale Fördermenge bei 140.000 Tonnen. Wenn Elektroautos wirklich
Hunderte Millionen klimaschädliche Diesel und Benziner ersetzen sollen,
wird jedoch mittelfristig deutlich mehr Kobalt benötigt werden.
Kampf am Meeresgrund
Beim Tiefseebergbau geht es um viel Geld. Bis 200 Seemeilen vor der Küste haben die jeweiligen Staaten das Recht, Rohstoffe am Meeresgrund zu fördern oder Abbaulizenzen zu vergeben (“Ausschließliche Wirtschaftszone”). Für die Hochsee ist die Internationale Meeresbodenbehörde in Kingston auf Jamaika zuständig. Sie hat bislang 29 vorläufige Explorations-Lizenzen vergeben – unter anderem an die EU, China, Japan und Russland. 16 davon betreffen Manganknollen-Felder in der Clarion-Clipperton-Zone im Ostpazifik.
Die Lizenzen verpflichten die Länder, auch die Umweltverträglichkeit zu prüfen. Sie sind 15 Jahre lang gültig und beinhalten ein Vorrecht auf den späteren Abbau. Noch hat die Behörde keine Genehmigungen für den kommerziellen Abbau von Erzen erteilt. Dazu fehlt ein Rechtsrahmen, der Umweltstandards festlegt und regelt, wie die Auswirkungen auf das Ökosystem Tiefsee überwacht werden sollen. Dieser sogenannte Mining Code wird derzeit von der EU und den übrigen 167 Mitgliedsländern der Behörde verhandelt und soll 2020 vorliegen. Das wäre der Startschuss für den Bergbau.
Schutz der Tiefsee
Nur 0,1 %
des Tiefseebodens sind bereits erforscht.
Bei der Ernte von Manganknollen wird der Meeresgrund teilweise umgepflügt. Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts “Mining Impact” untersuchen Wissenschaftler im Ostpazifik, welche Folgen das für die dort lebenden Arten hat. Projektkoordinator Matthias Haeckel vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel weiß, dass sich das Ökosystem Tiefsee von menschlichen Eingriffen nur extrem langsam erholt. Seit Ende der Siebzigerjahre wurde der Abbau von Manganknollen am Meeresgrund mehrfach simuliert. “Es gibt alte Pflugspuren, in denen sich das Ökosystem auch nach 40 Jahren nicht erholt hat”, sagt Haeckel. Viele Testflächen sehen aus wie frisch umgegraben, und größere Lebewesen sucht man hier meist vergebens. Die Forscher wollen vor allem herausfinden, wie viel Sediment bei der Knollenernte aufgewirbelt wird und in welchem Radius es sich verteilt. Sie befürchten, dass eine gewaltige Wolke entsteht und absinkende Partikel noch in vielen Kilometern Entfernung Organismen unter sich begraben. Die Daten sollen helfen, Vorschläge für Schutzgebiete machen zu können. “Dabei geht es zum Beispiel darum, wie groß zusammenhängende Abbauflächen maximal sein dürfen und welchen Abstand sie voneinander haben müssen”, sagt Haeckel. Er glaube nicht, dass Tiefseebergbau die Lösung für den steigenden Bedarf an Kobalt und anderen Metallen sein kann: “Dann müssten wir die Rohstoffe in so großem Stil abbauen, dass wir ein wirkliches Umweltproblem bekommen.”
Alternativen an Land
Auch an Land gibt es noch Kobalt. Auf knapp sieben Millionen Tonnen beziffert die Behörde United States Geological Survey die weltweit zugänglichen Reserven außerhalb der Ozeane. Doch es gibt Vorbehalte gegen die Erschließung neuer Lagerstätten. Bergbau bedeutet nicht selten das Abtragen ganzer Hänge, Entwaldung, riesige Gruben, Zwangsumsiedlungen von Anwohnern oder die Lagerung von giftigem Minenabraum hinter brüchigen Staudämmen. Außerdem sind die Erze nicht gleichmäßig über den Globus verteilt. Allein die Demokratische Republik Kongo liefert derzeit mehr als die Hälfte des weltweiten Kobalts, Tendenz steigend. Medien und Nichtregierungsorganisationen berichten immer wieder über Umweltverschmutzung sowie Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit in den Kobaltminen des Kongo.
Deutschlands Claim im Ozean
Auf etwa 75.000 Quadratkilometern innerhalb der Clarion-Clipperton-Zone im Ostpazifik erkundet die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) aus Hannover seit 2006, ob und wie sich Manganknollen wirtschaftlich fördern lassen. “Das Bundeswirtschaftsministerium will die Metallversorgung der deutschen Industrie langfristig sicherstellen. Eine Möglichkeit sind die Rohstoffe aus der Tiefsee”, sagt Carsten Rühlemann, Leiter des Arbeitsbereichs Meeresgeologie. Erste Untersuchungen des Testgeländes sind vielversprechend. Allein auf fünf Prozent der Fläche dürften dem BGR zufolge Kobalt, Nickel und Kupfer im Wett von 18 Milliarden Dollar liegen. “Rechnet man noch Mangan hinzu, dann kommt man auf etwa das Doppelte”, sagt Rühlemann. Die Wirtschaftlichkeit sei bislang trotzdem nur schwer einzuschätzen, auch weil die Metallgewinnung aus den Knollen im industriellen Maßstab noch nicht erprobt sei. “Manganknollen sind kompliziert in der Verarbeitung”, sagt Rühlemann. “Die Kosten für die metallurgische Aufbereitung machen etwa die Hälfte bis zwei Drittel der gesamten Kosten von der Förderung am Meeresboden bis zum verkaufsfertigen Metall aus.”
Wo ist wie viel Kobalt drin?
Grafik: Jelka Lerche
Quellen: Australian National University, Bloomberg New Energy Finance, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Glencore
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