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Konjunktur: Angst vor dem Abschwung

Die Lokomotive bremst, und die Fahrgäste krallen sich in ihren Sitzen
fest. Sie rufen aufgeregt nach dem Lokführer und schauen sich nach dem nächstgelegenen
Ausstieg um: So in etwa darf man sich wohl vorstellen, was gerade in der Wirtschaft
passiert
.

Das zumindest legt eine aktuelle Studie der Commerzbank nahe. Dafür befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa 2000 mittelständische Unternehmen, darunter 240 Firmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz. Die Einschätzungen dieser großen Unternehmen liegen der
ZEIT
exklusiv vor.

Das Ergebnis: 73 Prozent der befragten großen Unternehmen fürchten, dass sich die Konjunktur in den kommenden ein bis zwei Jahren eintrüben wird. Fast zehn Jahre lang ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt gewachsen, und ebenso lange ist die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik fast kontinuierlich gesunken – nun glauben die Unternehmer an ein Ende dieses Booms.

Statt Wachstum sehen sie vor allem Unsicherheit. Ebenfalls 73 Prozent der großen Firmen fürchten, dass sich die kommenden zwei Jahre angesichts der politischen Turbulenzen in der Welt grundsätzlich schwer planen lassen. Etwa jedes zweite befragte Unternehmen hält besonders die zunehmenden Handelsbarrieren für problematisch. Die Streitigkeiten zwischen den USA und Europa, die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran und die europäischen gegen Russland: All das trübt die Aussicht auf gute Geschäfte ein.

Die Abhängigkeit

Anteil der Unternehmen im Auslandsgeschäft

Quelle: Commerzbank, Initiative Unternehmerperspektiven © ZEIT-Grafik

Größere Unternehmen bekommen die Bremskräfte noch deutlicher zu spüren als andere. So gehen zwei von drei befragten Firmen mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz sogar explizit davon aus, dass die globalen Handelskonflikte ihr Geschäft beeinträchtigen werden. Von allen 2.000 in der Studie befragten Firmen glaubt das nur knapp die Hälfte. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei einem möglichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union: Darin sieht jedes zweite große Unternehmen eine Gefahr für sein Geschäft, unter allen Befragten ist es nur jedes dritte. Weniger groß ist die Angst vor einer neuen europäischen Schuldenkrise; und auch vom Klimawandel und seinen Folgen sieht sich nur jedes dritte Unternehmen betroffen. Die Gesellschaft mag sich viele Gedanken um die Umwelt machen – die Firmen haben bislang andere Sorgen.

Auf die globalen Unsicherheiten reagieren die Unternehmen unterschiedlich. Die kleineren wollen sich stärker auf den deutschen und den europäischen Markt konzentrieren, die größeren hingegen nach neuen internationalen Märkten suchen. Sie schauen also auch nach Ländern, in denen die Nachfrage zwar rasant wächst, die bislang aber wegen der unklaren politischen Lage als riskant galten.

Die Sorgen

Erwartungen der Unternehmen für die kommenden zwei Jahre, in Prozent

Quelle: Commerzbank, Initiative Unternehmerperspektiven © ZEIT-Grafik

Doch genau diese Einschätzung ändert sich gerade, wie die Studie der Commerzbank zeigt: Die deutschen Unternehmen bewerten die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in China mittlerweile besser als in den USA. Unter den Mittelständlern mit mehr als 100 Millionen Euro Jahresumsatz bezeichnen 39 Prozent die Bedingungen im Reich der Mitte als gut oder sogar sehr gut. Nur vier Prozent schätzen sie als mangelhaft oder gar ungenügend ein; über die Verhältnisse in den USA sagen das acht Prozent. Auch verglichen mit Italien, Russland oder Großbritannien bietet China demnach gerade bessere Bedingungen. Besonders schlecht schneidet die Türkei ab, aus der sich viele Unternehmen wieder zurückziehen wollen. Umgekehrt plant jedes dritte Unternehmen, das einen Standort verlagern will, eine Expansion nach China. Mehr China, weniger USA – das scheint für viele eine Option zu sein.

Die Forderungen

Wünsche, wofür die Politik sich einsetzen soll, in Prozent

Quelle: Commerzbank, Initiative Unternehmerperspektiven © ZEIT-Grafik

Das ist insofern überraschend, weil die Bundesregierung China derzeit mit viel Skepsis begegnet. Die Sorge vor strategischen Investitionen und Übernahmen aus Fernost ist so groß, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in seiner “Nationalen Industriestrategie 2030” vor Monopolisten aus China gewarnt, mit staatlichen Interventionen geliebäugelt und zum Aufbau eigener “nationaler Champions” geblasen hat. Mittelständler zweifeln diese Strategie nicht nur an, sie setzen sogar auf noch mehr China.

Da passt es, dass sich 80 Prozent der befragten Firmen gute Wirtschaftsbeziehungen zu China wünschen – genauso wie eine gemeinsame europäische Haltung im Handelsstreit mit den USA und gute Beziehungen zu Großbritannien im Falle eines Brexit. All das ist den Firmen auch deutlich wichtiger, als von der Bundesregierung im Ausland unmittelbar unterstützt zu werden.

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