Der Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Sebastian Hartmann, hat das Vorgehen von Parteichefin Andrea Nahles bei der Ankündigung einer vorgezogenen Abstimmung über den Fraktionsvorsitz im Bundestag kritisiert. “Ich bin überrascht, dass wir am Montag im Parteivorstand über Zusammenhalt und inhaltliche Profilschärfung gesprochen haben, mit klaren Verabredungen für die nächsten Schritte, und dann wenige Stunden danach plötzlich über die Medien eine Fraktionsvorsitzendenwahl ausgerufen wird”, sagte er der Westdeutschen Zeitung. Stattdessen sei verabredet worden, dass der Vorstand sich nach dem kommenden Wochenende zu einer Klausurtagung treffe und dort etwas auf den Tisch lege. “Jetzt wird das von einer parteiinternen Personaldiskussion überschattet, die noch dazu von oben begonnen wurde. Wir müssen uns immer fragen: Interessiert das irgendeinen Wähler außerhalb der SPD?”, sagte Hartmann. Er steht dem mitgliederstärksten SPD-Landesverband vor.
Partei- und Fraktionschefin Nahles hatte am Montagabend im ZDF überraschend angekündigt, dass die Fraktionsvorsitzwahl von September auf kommende Woche vorgezogen werden soll. Sie reagierte damit unter anderem auf anhaltende Personalspekulationen.
“Anhaltende Personaldebatten schwächen die SPD”
Gerüchte, nach denen Martin Schulz oder Achim Post aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband gegen Nahles kandidieren könnten, wollte Hartmann nicht kommentieren. “An diesen Spekulationen beteilige ich mich nicht. Ich stelle nur fest, dass in den letzten 24 Stunden wieder einmal nachgetreten worden ist. Und ich habe sehr, sehr deutlich formuliert, dass ich diese Personaldiskussion aufs Schärfste zurückweise, weil sie schlichtweg die wahren Probleme nur verschleiert und nicht löst”, sagte Hartmann. “Wir gehen an der Zeit vorbei, wenn die SPD nicht endlich erkennt, dass sie an einer grundlegenden Neubestimmung ihrer politischen Funktion in unserer Demokratie angelangt ist.”
Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, verteidigte die Entscheidung der Parteichefin zur vorgezogenen Wahl der Fraktionsspitze. “Ich unterstütze Andrea Nahles”, sagte er der Rheinischen Post. “Anhaltende Personaldebatten schwächen die SPD. Wenn es Kritik gibt, sollte das mit offenem Visier an der geeigneten Stelle vorgetragen werden.”
Ähnlich äußerte sich die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis, die dem linken Parteiflügel zugerechnet wird: “Die Debatte würde über die Sommerpause nicht aufhören. Deshalb stimme ich Andrea Nahles in der Analyse zu: Die Führungsfrage ist jetzt zu klären”, sagte sie der Passauer Neuen Presse. Mattheis sieht zudem den Verbleib ihrer Partei in der großen Koalition kritisch. “Wir haben in der großen Koalition unser Profil als Sozialdemokraten nicht schärfen können”, sagte sie. Sie forderte eine Debatte über den Koalitionsverbleib auf dem SPD-Parteitag im Dezember.
Am Mittwoch kommt die SPD-Fraktion zu einer Sondersitzung zusammen. Vorgesehen sind eine Aussprache zur allgemeinen Lage sowie die Vorbereitung der Fraktionssitzung. Personalentscheidungen stehen noch nicht an.
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