Bis vor wenigen Jahren galt Fliegen als weltbürgerlich, heute macht das Wort “Flugscham” die Runde. Denn Flugzeuge verursachen – verglichen mit anderen Verkehrsmitteln – einen besonders hohen CO2-Ausstoß. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen
Luftverkehrswirtschaft, sieht seine Branche auf einem guten Weg zu mehr Klimaschutz.
ZEIT ONLINE: Herr von Randow, steigen Sie noch guten Gewissens
ins Flugzeug?
Matthias von Randow: Selbstverständlich. Das Ziel unserer Branche
ist es, CO2-neutral zu werden. Wir sind bereits wichtige Schritte in diese
Richtung gegangen. Deshalb kann ich das Fliegen ausgesprochen gut verantworten.
ZEIT ONLINE: Besonders in der Kritik stehen Inlandsflüge. Wie kann
man einen Flug von Frankfurt nach Berlin rechtfertigen, wenn man mit der Bahn
nur vier Stunden braucht?
Von Randow: Innerdeutsch geflogen wird heute fast nur noch auf langen
Strecken, wenn die Bahn keine attraktive Alternative ist und man einen Termin
inklusive An- und Abreise an einem Tag realisieren will. Rund 70 Prozent der innerdeutschen
Flüge sind weiter als 500 Kilometer. Auf kürzeren Strecken ist es fast
ausschließlich Umsteigeverkehr, also etwa von Passagieren, die von Nürnberg
über München nach Hongkong fliegen und das Angebot ihrer Fluggesellschaft nicht
annehmen wollen, mit dem Zug nach München zu fahren.
ZEIT ONLINE: Wenn wir verhindern wollen, dass sich die Erde um mehr
als zwei Grad Celsius aufheizt, hat jeder Mensch ein klimaverträgliches
Jahresbudget von 2,3 Tonnen CO2. Einmal New York und zurück sprengt das schon.
Von Randow: Klimaschutz geht uns alle an, und wir arbeiten für den
Luftverkehr an Lösungen. Aber schon heute kann jeder Passagier seinen Flug
kompensieren und CO2-neutral reisen. Die Kunden nehmen das wenig in Anspruch, aber
sie könnten es.
ZEIT ONLINE: Was halten Sie von Fridays for Future?
Von Randow: Die Bewegung will, dass schneller gehandelt wird – das
finde ich gut und habe gleich das Gespräch gesucht.
ZEIT ONLINE: Und wie handelt die Luftfahrtbranche?
Von Randow: Dafür haben wir drei Hebel: Erstens sind das unsere
Investitionen in energieeffizientere Flugzeugtechnologien wie etwa bessere
Triebwerke. Wir haben die CO2-Emissionen unserer Flüge bereits
deutlich senken können. Durch die steigende globale Nachfrage wird dieser
Erfolg aber zum Teil wieder aufgefressen. Also müssen wir zweitens mittel- bis
langfristig den fossilen Brennstoff durch Kraftstoff ersetzen, der regenerativ
hergestellt wird.
ZEIT ONLINE: Das klingt nach ferner Zukunft.
Von Randow: Dank der Technologie power to liquid gibt es solchen Kraftstoff im Labormaßstab heute
schon, aber noch nicht in ausreichender Menge. Deshalb unterstützen wir
drittens, dass mit den Instrumenten des Emissionshandels und der Kompensation
die CO2-Emissionen begrenzt werden. Der innereuropäische Luftverkehr ist
bereits seit 2012 Teil des europäischen Emissionshandels. Dadurch nehmen die Emissionen durch Luftverkehr in der EU seit
sieben Jahren nicht mehr zu. Ab 2020 wird das auch für den
internationalen Luftverkehr der Fall sein, durch die Entscheidung der Vereinten Nationen für das System Corsia.
ZEIT ONLINE: Wie funktioniert dieses System?
Von Randow: Corsia ist eine internationale Klimaschutzabgabe. Sie
funktioniert so, dass die Fluggesellschaften für jede zusätzliche CO2-Emission
Zertifikate erwerben müssen. Das Geld fließt in
Klimaschutzprojekte, bei denen CO2 reduziert werden kann. So wächst der
Flugverkehr CO2-neutral. Die Regierungen kontrollieren, dass die Airlines
korrekte Zahlen melden. Und die UN überwacht, dass nur zertifizierte Kompensationsprojekte
zum Zug kommen.
ZEIT ONLINE: Die
NGO CE Delft hat ausgerechnet, dass durch Corsia nur ein Fünftel der
CO2-Emissionen ausgeglichen werden. Denn die Airlines kompensieren nur die
Zuwächse ab 2020, nicht aber die bis dahin bestehenden Emissionen. Und einige
Länder wie Indien und Russland nehmen nicht teil.
Von Randow: Von Anfang an werden so viele Staaten bei Corsia
mitmachen, dass 75 Prozent des weltweiten Luftverkehrs erfasst sein werden. Wir
als Luftverkehrswirtschaft hätten uns noch weitergehende Schritte vorstellen
können. Die müssen aber immer von der Staatengemeinschaft gegangen werden, denn
den größten Anteil der Emissionen machen die internationalen Langstreckenflüge
aus. Nationale Alleingänge führen lediglich dazu, dass sich der Luftverkehr
verlagert. Das bringt dem Klima nichts, sondern schadet nur der deutschen Wirtschaft.
ZEIT ONLINE: Umweltschützer sagen: Kompensieren reicht nicht. Um
die Klimaziele zu erreichen, müssten wir sowohl Emissionen reduzieren, als auch
bestehendes CO2 binden – und nicht nur neue Emissionen ausgleichen.
Von Randow: Das sehen wir auch so. Durch Investitionen
in neue Technologien ist es uns schon gelungen, die CO2-Emissionen unserer
Flugzeuge im Vergleich zu 1990 um 43 Prozent zu senken.
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