Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen nicht ohne Weiteres einen der Spitzenkandidaten in der Europawahl zum EU-Kommissionspräsidenten wählen. “Es kann keinen Automatismus geben”, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem EU-Sondergipfel in Brüssel. Vielmehr würden die Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten vorschlagen, das Parlament werde über diesen abstimmen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte: “Wir brauchen die Besten.” Wenn die Lager im Parlament auf die Kür ihrer Spitzenkandidaten beharrten, werde es eine Blockade geben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte, dass sie sich mit Macron nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnte. Sie sagte: “Es ist klar, dass er kein Unterstützer des
Spitzenkandidatenkonzepts ist.” Man müsse damit leben. Die EVP sei nach der Europawahl am Wochenende klar stärkste Fraktion, allerdings benötige sie für eine Mehrheit Partner.
Merkel fordert Kompromissbereitschaft
Merkel sprach sich für eine Konsensentscheidung aus: “Jeder ist
aufgefordert, tolerant und kompromissbereit zu sein”, sagte sie. Es
gelte, keine Wunden zu reißen, die später Sachenentscheidungen
erschweren würden, etwa die Aufstellung eines langjährigen
Haushaltsplans. EU-Ratspräsident
Tusk solle Vermittlungsgespräche mit dem Europäischen Parlament
und den Staats- und Regierungschefs führen. Nach den Worten Merkels soll am Termin Ende Juni festgehalten werden, bei dem die Entscheidung über die Nominierung eines Kommissionschefs bekannt gegeben werden soll.
Die Bundeskanzlerin verteidigte die Bewerbung des CSU-Politikers
Manfred Weber für den Posten. Sie warne davor, dem EU-Parlament zu
sagen, dass Erfahrung dort nicht
ausreiche, um das Amt zu bekommen. Macron hatte vergangene Woche gesagt, Erfahrungen in einer Regierung oder der EU-Kommission seien für den Posten “unbestreitbar ein wichtiges Kriterium”. Weber als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) fehlt solche Erfahrung. Er sitzt seit 2004 im EU-Parlament und ist seit 2014 Fraktionschef der EVP.
Ratspräsident Tusk verwies darauf, dass nicht nur über den nächsten Kommissionspräsidenten diskutiert werde. Es gehe aber auch um die Vergabe weiterer Posten wie den des EU-Ratspräsidenten oder des EU-Außenbeauftragten. Dabei gehe es auch um eine geografische Ausgewogenheit und die Berücksichtigung von Frauen. Tusk kündigte an, dass mindestens die Hälfte der neuen Top-Positionen in der EU mit Frauen
besetzt werden soll. Hierfür habe es eine Mehrheit bei den Beratungen
der EU-Staats- und Regierungschefs gegeben, sagte Tusk nach Ende des
EU-Gipfels.
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