Andrea Nahles stellt sich in der Fraktion vorzeitig zur Wahl
Nach den Verlusten der SPD bei den Wahlen am vergangenen Wochenende stellt sich SPD-Chefin Andrea Nahles ihren innerparteilichen Kritikern: Die Wahl zum Fraktionsvorsitz werde
auf kommende Woche vorgezogen, um “Klarheit zu schaffen”, sagte Nahles in der ZDF-Sendung Was nun?. “Wir erleben eine Zäsur als SPD, wir sind nicht mehr zweitstärkste, sondern drittstärkste Kraft”, begründete sie ihre Entscheidung. Regulär hätte der Fraktionsvorstand erst im September gewählt werden müssen.
Sie forderte ihre innerparteilichen Kritiker zur Kandidatur auf. Sie sei bereit, die Fraktion weiterhin zu führen, sagte sie. Das “Gemurmel”, dass es weitere Kandidaturen geben werde, habe sie
gehört, sagte Nahles. Es gebe jetzt die Chance, dies offen auszutragen. Es sollten nun “alle, die einen anderen Weg gehen wollen, auch sagen, ich kandidiere”. Dann herrsche Klarheit. “Die vorgezogene Wahl sei “eine gute Gelegenheit, die Sache offen auszutragen”. Wer statt ihr den Fraktionsvorsitz anstreben könnte, sei ihr unbekannt. “Ich weiß nicht, wer antritt”, sagte sie auf die Frage, ob sie mit einer Kandidatur des früheren Parteichefs, Ex-Kanzlerkandidaten und heutigen Bundestagsabgeordneten Martin Schulz rechne. Medienberichten zufolge hat Schulz Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz.
Sie selbst sei bereit, weiter als Partei- und Fraktionschefin Verantwortung für die SPD zu übernehmen. Sie wolle “jetzt nicht die Klamotten hinwerfen”, sagte Nahles, Personaldebatten halte sie für “nicht sinnvoll”. “Wir haben in der Vergangenheit von den Personalwechseln – und davon gab es ja viele – nicht wirklich gewonnen.”
Nahles’ Entscheidung dürfte auch durch einen Brief aus NRW beeinflusst sein. Der Abgeordnete Michael Groß schrieb an Fraktionsvize Achim Post, er
beantrage eine Sondersitzung. In seinem Schreiben, über das zunächst der
Tagesspiegel
berichtet hatte, heißt es: “Nach den sehr bedauerlichen und desaströsen
Ergebnissen der SPD bei den Wahlen muss klargestellt werden, ob die
SPD-Bundestagsfraktion hinter ihrer Vorsitzenden steht oder nicht.
Entweder sie wird breit gestützt oder nicht.” Groß und Post gehören
beide zur SPD Nordrhein-Westfalen. Post wäre ein möglicher Kandidat für
die Nachfolge von Nahles an der Fraktionsspitze.
Die SPD hatte bei der Europawahl am Sonntag zweistellig an Zustimmung eingebüßt und 15,8 Prozent der Stimmen erreicht. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen wurden die Sozialdemokraten zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg nicht stärkste Kraft.
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