Wenn am Sonntag neben dem Parlament der Europäischen Union auch die Bremische Bürgerschaft gewählt wird, dürfte die Bremer CDU laut Umfragen erstmals die SPD überflügeln. Aber ob die Union dann auch die Regierung übernimmt und die Sozialdemokraten damit erstmals seit 1945 aus dem Rathaus vertreibt, das hängt allein von den Grünen ab. Sie koalieren seit zwölf Jahren mit der SPD, doch ihre Liebe hat sich abgekühlt. Deshalb schielen sie auch auf die CDU und ihren Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder.
Der politisch völlig unerfahrene Seiteneinsteiger stand in jungen Jahren selber weit links. Inzwischen ist er ein erfolgreicher IT-Unternehmer. Jüngsten Umfragen zufolge kann die Union hoffen, die SPD mit 28 zu 23 Prozent zu besiegen. Sie würde dann gerne eine Jamaika-Koalition bilden. Die FDP wäre dazu bereit. Aber die Grünen halten sich bisher alles offen.
Falls die CDU am Sonntagabend deutlich vor der SPD liegen sollte, würde die Grünen-Spitzenkandidatin, Fraktionschefin Maike Schaefer, wohl am liebsten die Jamaika-Koalition besiegeln und sich von SPD-Bürgermeister Carsten Sieling trennen. Dessen Appell ans Wahlvolk heißt denn auch: „Passt auf, dass Ihr nicht grün wählt und hinterher schwarz seht!“
Konflikte mit der FDP
Doch dafür müsste auch die Grünen-Basis mitspielen. Zwar könnten viele Mitglieder mit Meyer-Heder leben. Doch beim Modell Jamaika käme auch die etwas schrille FDP-Spitzenkandidatin und Unternehmerin Lencke Steiner mit an Bord, die gerne mit einem PS-starken Cabrio durch die Stadt röhrt – ein Grauen für viele Grüne. Und CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp würde vielleicht wieder Innensenator, wie einst in Henning Scherfs SPD-CDU-Koalition. Röwekamp galt damals als harter Hund.
Sollte Meyer-Heder allerdings nur knapp vor Sieling landen, dann würde wohl auch Schaefer dem Neuen die kalte Schulter zeigen. Da Rot-Grün allein keine Mehrheit mehr haben dürfte, käme als Drittes die Linke mit ihrer realpolitischen Spitzenkandidatin Kristina Vogt, mit in die Koalitionskalkulation. Es wäre die erste linke Regierungsbeteiligung in Westdeutschland.
Auch die SPD ist neuerdings eindeutig für Rot-Grün-Rot und schließt eine Große Koalition kategorisch aus. Sie setzt also alles auf eine Karte, nämlich Richtungswahlkampf – das deuten viele als das letzte Aufbäumen. CDU-Fraktionschef Röwekamp lästert auf Twitter: „Oje. Kamicarsten #Sieling ist an schwerer Ausschließeritis erkrankt.“
Nichts Mitreißendes an der SPD
Die SPD-Wahlplakate tragen den Allerwelts-Slogan: „Wir lieben Bremen.“ Warum lieben die Bremer nicht mehr zurück? Neben dem Bundestrend spielt dabei auch die Person des Bürgermeisters eine Rolle. Der aufrechte Linke kennt sich in allen Politik-Details aus und setzt sich für die kleinen Leute ein. Aber er hat nichts Mitreißendes. Sieling ist kein Staatsmann oder Landesvater, eher ein Landeskumpel.
Bildungsmisere, Arbeitslosigkeit, Wohnungsmangel, Verkehrsstaus, schmerzhafte Sparpolitik – auch das wird vor allem der SPD angelastet. Inzwischen hat Rot-Grün den Haushalt stabilisiert und mehr Bundeshilfen ausgehandelt. Aber die Früchte der Sparpolitik wird nun möglicherweise Politikneuling Carsten Meyer-Heder ernten. Falls die Grünen mitspielen.
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