Die Hoffnungen waren riesig, als der Iran 2015 das Nuklearabkommen unterzeichnete. Menschen tanzten auf den Straßen, Hupkonzerte schallten durch Teheran. Der Iran verpflichtete sich, auf die Entwicklung von Atomwaffen zu verzichten, im Gegenzug versprachen die internationalen Partner, die meisten Sanktionen gegen das Land aufzuheben. Der Iran würde wirtschaftlich aufblühen und sich dem Westen öffnen, hofften viele im Land.
Ein Jahr nach dem Ausstieg der USA steht das Abkommen inzwischen vor dem Aus, wenn die verbleibenden Partner nicht bis Juli einen Weg finden, ihre Zusagen an den Iran besser umzusetzen – also vor allem trotz umfassender US-Sanktionen Handelsbeziehungen ermöglichen. Die Amerikaner wollen das Land mit wirtschaftlicher Isolation von seiner aggressiven Außenpolitik abbringen und bauen auch militärisch Druck auf. Jüngst warnte US-Präsident Donald Trump:
“Wenn der Iran kämpfen will, wird das das offizielle Ende des Irans
sein. Droht nie wieder den Vereinigten Staaten!”, schrieb er auf
Twitter. Schon seit die USA die iranischen Revolutionsgarden im April als Terrororganisation
eingestuft haben – und der Iran im Gegenzug die US-Streitkräfte in der
Region –, wächst die Sorge vor einer direkten Konfrontation. Die Entsendung eines Flugzeugträgers und einer Bomberstaffel in die Region haben die Angst vor einem Krieg geweckt.
Über WhatsApp, E-Mail und Telefon berichten uns drei Iraner, was die
aktuelle politische Lage für ihren Alltag bedeutet. Sie haben
unterschiedliche politische Überzeugungen. Nur in einem Punkt sind sie
sich einig: Die Sanktionen machen ihr Leben schwer und ihre Hoffnungen
zunichte.
“Das Regime lässt uns keine Luft zum Atmen”
Maryam*, 32 – Kosmetikverkäuferin in Teheran
Zweimal hat die Moralpolizei mich verhaftet, weil ich auf der Straße kein Kopftuch getragen habe. Und als ich Anfang vergangenen Jahres wegen der schlechten Wirtschaftslage zusammen mit Tausenden anderen auf die Straße gegangen bin, haben sie mich geschlagen, haben mir Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, mich getreten. Das Regime lässt uns keine Luft zum Atmen, es erniedrigt Frauen, es akzeptiert keinen politischen Dissens.
Viele meiner Freunde sind nach den Wirtschaftsdemos im Gefängnis gelandet, einige sitzen noch immer in dunklen Zellen. Wofür? Dafür, dass wir Kritik üben an der Verletzung unserer Menschenrechte?
Nach all diesem Leiden will ich nur noch, dass das islamische Regime stürzt. Ich will in einem demokratischen, säkularen, friedlichen Staat leben. Aber ich will, dass das ohne einen Krieg geschieht. Aus Krieg entstehen immer nur Chaos, weitere Gewalt und Zerstörung. Das zeigt in unserer Nachbarschaft das Beispiel Syrien, vor dem wir riesige Angst haben. Ich will nicht, dass der Iran so endet.
Deswegen finde ich auch die aktuelle Politik der US-Regierung gegenüber dem Iran falsch. Sie schafft ein Pulverfass, in das kein Funke fallen darf – sonst gibt es vielleicht eine Katastrophe. Und zusätzlich zu den Repressionen durch das Regime werden wir jetzt auch noch durch die Sanktionen bestraft. Die Preise klettern ins Unermessliche. Ich kann mir kaum noch meine Teheraner Wohnung leisten, denn der Vermieter will immer mehr Geld. Obst und Gemüse kosten ein Vermögen.
In meinem Job als Kosmetikverkäuferin verdiene ich immer weniger, weil immer weniger Leute sich die Produkte leisten können. Und mit meinem Abschluss in Kulturwissenschaften findet man in Teheran natürlich auch keinen Job.
Ich bin stolz auf meine ökonomische Unabhängigkeit als unverheiratete Frau, aber wenn das so weitergeht, muss ich vielleicht sogar zurück zu meinen Eltern in die Provinz im Süden ziehen. Doch da gibt es nur noch mehr Probleme. Das Haus meiner Tante und meiner Cousins wurde vor wenigen Wochen von der Flut komplett zerstört. Sie leben jetzt zusammen mit anderen Verwandten in deren Haus, zusammengequetscht, und haben kaum zu essen.
Die einzige Hoffnung, die ich noch habe, ist, dass unser Regime doch noch über seinen eigenen Schatten springt. Der Iran könnte mit den USA einen neuen Deal verhandeln, Zugeständnisse machen. Das Geld, das die Revolutionsgarden für ihre Machtspiele in Syrien ausgeben, könnten wir hier ohnehin besser gebrauchen. Aber ich kenne dieses Regime, seit ich geboren bin. Ich glaube zu wissen: Realistisch ist diese Hoffnung nicht.
* Name geändert, da sie fürchtet, vom Regime verfolgt zu werden
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