/Digitale Landkarte erfasst Deutschlands Glockenlandschaft

Digitale Landkarte erfasst Deutschlands Glockenlandschaft

Es soll ja Menschen geben, die Glockenläuten als störend empfinden. Deutsche Gerichte können – etwas bildlich gesprochen – ein Lied davon singen. Doch wie vor wenigen Monaten beim „Glockenstreit“ in Schenklengsfeld bei Bad Hersfeld gehen juristische Auseinandersetzungen darüber meist zugunsten der Glocken aus. Oder derer, die ihren Ton mögen, dem Ruf zum Gottesdienst folgen oder den Glockenschlag zur Stunde als Takt ihres Tages schätzen. Weil er zur Kultur des Landes gehört, weil er schon immer da war.

Deutschland hat eine reiche Glockenlandschaft. In etwa 30.000 Gebäuden bundesweit hängen geschätzt insgesamt 100.000 kirchliche und weltliche Geläute. Diese sollen jetzt in einer digitalen Karte erfasst werden. Um das ehrgeizige Projekt umzusetzen, ist vor allem die Jugend gefragt: Mit einer gerade in Berlin vorgestellten Kampagne #createsoundscape wirbt der Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen bei Jugendlichen, sich an der Erstellung der Glockenlandkarte im Internet zu beteiligen. Aufgerufen sind Schüler, Jugendfeuerwehren, junge Umweltschützer, Vertreter der Landjugend und Sportgruppen. „Glocken haben Power“, heißt es auf der Seite der Kampagne, sie läuten in Deutschland seit mehr als 1300 Jahren

Und sie sollen dokumentiert werden. Mit dem Smartphone als Arbeitsgerät kann jeder Film-, Foto- und Audioaufnahmen von den Glocken in seinem Heimatort oder Stadtteil machen. Die Daten werden später auf die Internetseite createsoundscape.de gestellt. Geplant ist außerdem, Angaben zu Material, Geschichte und Alter der Glocken dazuzustellen. Auf der Website wird in fünf Schritten erklärt, wie dabei vorzugehen ist.

Tausend Einträge

Bislang umfasst die virtuelle Landkarte etwa 1000 Einträge, vorwiegend aus dem Erzbistum Freiburg. Das hat bereits vor acht Jahren mit der Glockenerfassung im Südwesten begonnen. Nun wird größer gedacht und die Glockenlandkarte soll auf ganz Deutschland und perspektivisch auch auf Europa ausgeweitet werden, wie Projektleiter Martin Kares erläutert. Er ist außerdem der Leiter des Glocken- und Orgelprüfungsamts der badischen Landeskirche.

In ganz Deutschland gebe es etwa 30000 Gebäude mit mindestens einer Glocke. Die Geläute seien kulturelles Erbe und Gedächtnis und „Glockenklänge für viele Menschen Symbol für Heimat“, sagte Kares. Finanziert wird das Projekt unter anderem aus Mitteln von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Die Initiatoren machen keine Unterschiede, in ihren Augen sind alle Glocken gleich interessant: „Wir wollen die deutsche Glockenlandschaft in Gänze abbilden, nicht nur die prächtigen Domgeläute, sondern auch die kleinen Geläute auf den Dörfern“, betonte Co-Projektleiter Johannes Wittekind.

Immaterielles Kulturerbe

Mitmachen könnten natürlich nicht nur Jugendliche, sondern alle, die sich für das Thema interessieren und denen es wichtig ist, den Klang der Glocken ihres Heimatortes ins Internet einzustellen und damit zu verbreiten. „Wir hoffen dabei auf einen Schneeballeffekt“, sagte Wittekind. Unterstützt wird die Kampagne, die ohne Hilfe Engagierter vor Ort nicht umsetzbar ist, von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Der Klang der Glocken – wo immer er auf der Welt ertöne – sei ein immaterielles Kulturerbe ersten Ranges, das mühelos Konfessions-, Nations- und Kulturgrenzen überbrücke, sagt der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten. Der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, ergänzt, Glocken sprechen die Herzen an. Sie verkünden die „wunderbare Botschaft des Evangeliums.“ Auch sei es eine schöne Aktion, den Sound der Glocken bundesweit ins Internet zu stellen. (mit epd)

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