Wenn auf eins Verlass ist, dann auf die Kampagnenfähigkeit der CSU: Der EU-Wahlkampf läuft eher mau, von Massenpolitisierung oder Schicksalswahl, ist nichts zu spüren. Da laden die Christsozialen am Freitagabend zum großen Wahlkampffinale der Europäischen Volkspartei in die Münchner Messe. Eine große Halle – wenn die halbleer bliebe, wäre das schon ein echter Abturner vor der Wahl am Sonntag.
Soweit kommt es nicht. Busse schaufeln christdemokratische Reisegruppen aus allen Ecken des Freistaats herbei. Und auch die internationale Mobilisierung hat geklappt: Bei Weißbier, Brezln und Obazda sitzen Delegationen aus Afrika und Italien auf Bierbänken mit Bayern-Karo-Tischdecken, in Maßkrügen stecken Europawimpel. Rastalocken und farbenfrohe Kleider neben Trachtenjanker und Dirndl, Baierisch mischt sich mit Englisch, Griechisch und Kroatisch. Im Hintergrund hupt die unvermeidliche Blaskapelle.
Die Amerikanisierung des Wahlkampfes, sie ist an diesem Abend weit fortgeschritten. Die Videoleinwände in der Halle sind gut fünfmal so groß wie die Bühne selbst. Der Wahlslogan ist ganz international und auf den Spitzenkandidaten personalisiert: “The Power of WE”, wobei WE für Weber steht genau wie für das englische Wir. Vor der Halle verteilt die Junge Union Schals mit dem Konterfei von Manfred Weber. Die Show beginnt, der Saal wird dunkel, Trommelwirbel mit der Lichtorgel, Rockmusik, auf der Leinwand laufen Videoclips über den Wahlkampf. Jeder Sinn wird überreizt, die Halle klatscht im Takt. Später werden sich Akrobaten auf der Bühne verrenken und Salit schrauben, Kinder mit Fahnen aller 29 EU-Staaten durch die Stuhlreihen traben. Es hat was vom Eurovision Song Contest.
So unpolitisch wie das alles klingen mag, geht es freilich nicht zu. Dazu reicht schon ein Blick in die ersten Reihen. Alle sind sie gekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel absolviert ihren einzigen Wahlkampfauftritt in Deutschland. Neben ihr CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, Bayerns Ministerpräsident, CSU-Chef Markus Söder, seine drei Vorgänger Horst Seehofer, Theo Waigl und Edmund Stoiber – alle Ehrenvorsitzenden der Partei zum ersten Mal in einer Halle versammelt. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Gesundheitsminister Jens Spahn, der Friedensnobelpreisträger und ehemalige polnische Präsident Lech Wałęsa, die Regierungschefs aus Kroatien und Bulgarien. Über Video ist Sebastian Kurz aus Wien zugeschaltet. Es ist nicht lange her, da wäre es schon eine Nachricht gewesen, dass diese ganzen Menschen friedlich zusammen in einem Raum sitzen.
Kein Zotenklopfer
Das Finale Dahoam, witzelt der Moderator aus Österreich. Die europäischen Konservativen, um im Fußballbild zu bleiben, werfen noch mal alles nach vorn. Das schweißt zusammen. “Dieser gemeinsame Geist, zwischen CDU, CSU und EVP, es fühlt sich einfach gut an”, bemerkt auch CSU-Generalsekretär Blume. “Europa versöhnt”, sagt sein Chef Söder an die Kanzlerin gerichtet. Und das alles für einen Mann: Manfred Weber. Der stellvertretende CSU-Chef rannte sich über Monate als EVP-Spitzenkandidat die Hacken wund. Er möchte Präsident der EU-Kommission werden.
Irgendwas muss dieser Weber also an sich haben, dass diese ganzen Persönlichkeiten nach München reisen und Einsatz zeigen. Nur was? Klar: Weber ist ein freundlicher Kerl, integer, er kennt als EVP-Fraktionschef in Brüssel jeden. Weil er kein derber Zotenklopfer ist, kann man ihn auch in der Schwesterpartei gut leiden. Für einen Freistaat, der schon alles war, Champions-League-Sieger und Papst aber eben noch nie Kommissionspräsident, findet der Ministerpräsident, sei es die “patriotische Pflicht”, Weber zu wählen. Aber das kann ja noch nicht alles gewesen sein.
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