Die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner ist europapolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Das Europaparlament kennt sie aus eigener Anschauung. Bevor sie in den Bundestag kam, war sie vier Jahre lang dort Abgeordnete.
Als ich 2013 vom Europäischen Parlament in den Bundestag
gewechselt bin, habe ich ein offenes Parlament erwartet, das nicht nur wegen der
gläsernen Reichstagskuppel transparent ist. Als Abgeordnete im Europäischen Parlament in Brüssel und Straßburg war ich klare Transparenz- und Lobbyregeln
gewohnt. In meiner neuen Rolle im Bundestag? Fehlanzeige.
Gerade in Zeiten, in denen populistische Kräfte versuchen, unsere
demokratische Gesellschaft zu spalten und sich dafür auch nicht zu schade sind,
die parlamentarische Arbeit zu diskreditieren, ist es wichtig, dass sich die
Parlamente Transparenz auf die Fahnen schreiben. Es muss klar sein, wie im
Bundestag gearbeitet wird. Es muss deutlich werden, auf welcher Grundlage die
Entscheidungen im Bundestag getroffen werden. Dabei kann der Bundestag noch
viel vom Europaparlament lernen.
Beispiel: Ausschusssitzungen. Im Europaausschuss
des Bundestages, dem ich angehöre, diskutieren wir über große europäische
Fragen. Fragen, die für alle Bürgerinnen und Bürger relevant sind. Aber: Fast
alle Diskussionen im Ausschuss finden hinter verschlossenen Türen statt. Im
Europäischen Parlament hingegen sind Ausschusssitzungen öffentlich und werden
sogar live im Internet gestreamt. Als Abgeordnete in Brüssel fand ich es gut
zu wissen, dass unsere Arbeit draußen verfolgt und gesehen werden kann. In
Berlin werde ich oft gefragt, warum das Plenum so leer ist – unsere Arbeit in den
Ausschüssen nimmt man kaum wahr. Das behindert Vertrauen.
Deutschland hinkt hinterher
Beispiel: Lobbyregister. Seit 2011 haben die EU-Kommission und
das Europäische Parlament ein
gemeinsames Transparenzregister, in dem sich Interessenvertreter anmelden
müssen, um beispielsweise Zugangsausweise für das Parlament zu erhalten oder
in Anhörungen sprechen zu dürfen. Bei der Eintragung müssen Organisationen
offenlegen, wie viele Personen für sie arbeiten und wie viel Geld sie in die
Lobbyarbeit investieren. Der Bundestag
hat kein solches Lobbyregister. Zwar gibt es eine öffentliche Liste über die
beim Bundestag registrierten Verbände; sich dort einzutragen ist aber
freiwillig.
Beispiel: legislativer Fußabdruck. Seit 2014 veröffentlicht die
Europäische Kommission Treffen von Kommissarinnen und Kommissaren sowie
Generaldirektorinnen und -direktoren mit Interessensvertretern und
Organisationen. Bis spätestens zwei Wochen nach dem Treffen muss veröffentlicht
sein, wer wen wo traf, und vor allem: worum es ging. Auch das Europäische Parlament
hat seine Regeln zur Transparenz von Einflussnahme vor Kurzem verschärft.
Diesen legislativen Fußabdruck, also Transparenz darüber, wer auf bestimmte
Gesetzesvorhaben Einfluss genommen hat, gibt es in Deutschland bisher nicht.
Deutschland hinkt bei der Transparenz hinterher. Meine
Fraktion prangert das schon lange an. Dass Bundestagsausschüsse künftig
öffentlich tagen sollen, fordern wir seit sechs Jahren – geändert hat sich
bisher nichts. Seit 2010 fordern wir Grüne ein einheitliches Lobbyregister. Wie
in der EU sollten Bürgerinnen und Bürger auch beim Bundestag wissen, wer
Zutritt zu ihrem Parlament hat, mit welchem Budget eine Firma Lobbying betreibt
und wie viele Interessensvertreter für sie arbeiten. Und wir brauchen auch in
Deutschland klare Regeln zum legislativen Fußabdruck. Bevor Gesetzesentwürfe
zur Beratung ins Parlament kommen, sollte klar und öffentlich sein, wer bereits
wie darauf Einfluss genommen hat.
Gerade heute müssen wir alles daran setzen,
wieder mehr Vertrauen in die Politik zu schaffen. Deshalb haben wir zwei
Aufgaben: Erstens mit den Mythen über den angeblichen Lobby-Moloch Brüssel aufräumen.
Und zweitens den Bundestag zu einem transparenteren und für Bürgerinnen und
Bürger zugänglicheren Ort zu machen. Das sollte uns die Demokratie wert sein.
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