Die Ibiza-Affäre um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sei eine
“singuläre Angelegenheit”, sagte der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen. Da war bereits klar, dass
das Video nicht nur die österreichische Regierung gesprengt hat, sondern zur Belastung anderer
rechtsextremistischer Parteien vor der Europawahl zu werden droht. Auch AfD-Fraktionschef
Alexander Gauland sprach von einem “österreichischen Problem, das für Deutschland oder Italien
keine Rolle spielt und mit dem wir nichts zu tun haben”. Ibiza nur ein Einzelfall? Stimmt das?
Straches fragwürdiges Verhältnis zur Pressefreiheit, zu russischen Geldgebern und geltenden
Gesetzen ist eher keine Ausnahme. Man stößt in vielen anderen europäischen Parteien auf
ähnliche Ansichten, nicht nur, aber vor allem bei den Rechtsextremen. Eine Übersicht über die
Skandale aus der jüngeren Zeit.
Illegale Finanzierung des Brexits?
Gerade diese Woche leitete die Wahlaufsicht des britischen Parlaments Untersuchungen zu den Finanzen der von Nigel Farage neu gegründeten Brexit-Partei ein. Es geht um Spenden aus nicht nachvollziehbaren Quellen über den Bezahldienst PayPal. Auch eine Kommission des Europäischen Parlaments prüft seit dieser Woche eine mutmaßlich illegale Spende an Farage. Nach dem Brexit-Referendum 2016 soll der damalige Vorsitzende der EU-feindlichen Ukip illegal mehr als eine halbe Million Euro von dem Geschäftsmann Arron Banks erhalten haben. Aktuelle Recherchen des britischen Fernsehsenders Channel 4 legen nahe, dass Banks wiederum Zahlungen in Millionenhöhe aus Moskau bekommen hat. Farage, dessen Brexit-Partei derzeit in den Umfragen zur Europawahl führt, wollte die Vorwürfe in der Öffentlichkeit nicht kommentieren.
In Ungarn wird weder berichtet noch ermittelt
“Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán aufbauen”, sagt Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video. Viktor Orbán regiert seit dem Jahr 2010 mit absoluter Mehrheit im Parlament. Seitdem wurde die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und vor allem der Presse im Land systematisch eingeschränkt. Der staatliche Rundfunk wird mittlerweile direkt von der Regierung kontrolliert. Orbán bekommt zum Beispiel im staatlichen Kossuth Rádió regelmäßig Sendezeit ohne kritische Nachfragen. Unter dem Dach einer Medienstiftung wurden 2018 zahlreiche private Rundfunkanstalten sowie fast alle Lokalzeitungen und Druckereien unter die Kontrolle von Gábor Liszkay gebracht, einem engen Freund Orbáns. Es existieren im Land nur noch wenige unabhängige Medien. Im Ranking von Reporter ohne Grenzen zur Lage der Pressefreiheit belegt Ungarn Platz 87 von 180.
Auch deswegen wird auf Ungarisch nur selten über die Korruptionsvorwürfe gegen Orbáns Partei Fidesz berichtet. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung ermittelte zum Beispiel gegen István Tiborcz, Orbáns Schwiegersohn. Tiborcz’ Infrastruktur-Unternehmen Elios soll EU-Fördergelder in Millionenhöhe veruntreut haben. Auf Druck der EU-Kommission verzichtete die ungarische Regierung vor wenigen Wochen auf die Auszahlung der entsprechenden Gelder aus Brüssel. Gegen mehrere Fidesz-nahe Oligarchen – einige von ihnen Jugendfreunde von Orbán – bestehen weitere Vorwürfe wegen Veruntreuung und Vetternwirtschaft. Staatliche Großaufträge im Energiesektor gingen in den vergangenen Jahren außerdem an russische Staatsunternehmen – ohne korrekte Ausschreibung.
Diese Fälle wurden von der ungarischen Justiz weitgehend ignoriert. Die fehlende Aufklärung kann damit zu tun haben, dass Viktor Orbán juristische Schlüsselposten an Freunde von ihm vergeben hat. Péter Polt zum Beispiel ist ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten und seit 2010 oberster Staatsanwalt. Unter seiner Verantwortung wurde fast kein Verfahren gegen Fidesz-Politiker oder deren Unterstützer aufgenommen. So werden auch von Nichtregierungsorganisationen dokumentierte Verstöße gegen das europäische Asylrecht in Ungarn nicht geahndet. Die EU-Kommission verklagte Ungarn deswegen vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Europarat verwarnte das Land diese Woche wegen der Missachtung von Menschenrechten. Zuvor hatte schon die Venedig-Kommission des Europarates, ein unabhängiges Gremium von Juristen, den Umbau des Rechtsstaates kritisiert. Eine Mehrheit im Europaparlament hat im September 2018 entschieden, dass sich Ungarn einem Sanktionsverfahren wegen Gefährdung von EU-Grundwerten stellen muss.
Estland: Journalisten sollen entlassen werden
In Estland sitzt seit April die rechtsradikale Partei EKRE in der Regierung. EKRE-Chef Mart Helme ist estnischer Innenminister. Kurz vor seiner Amtseinführung hat er in einem Brief an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Estlands gefordert, alle Journalisten zu entlassen, die sich seiner Partei gegenüber “voreingenommen” geäußert hätten.
Die Geldquellen der AfD
In dem Video aus der Villa auf Ibiza spricht Strache auch über eine Methode, anonym Geld aus dem Ausland an die FPÖ zu spenden. Der Umweg an den amtlichen Kontrollen vorbei soll über einen Tarnverein gelaufen sein, dessen offizieller Zweck darin bestand, “Österreich wirtschaftlicher zu gestalten”. Der Verein bestreitet dies. Die Bundestagsverwaltung in Deutschland untersucht seit Längerem ein ähnliches Konstrukt: Der “Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten e. V.” aus Stuttgart nimmt seit 2016 Geld von anonymen Großspendern entgegen und soll damit Wahlkämpfe für die AfD finanziert haben. Die Partei streitet das ab. Der Verdacht auf illegale Parteienfinanzierung steht im Raum, der AfD droht eine Millionenstrafe.
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