Entrecôte für 5,10 Euro in Luxemburg, drei Gänge für 75 Cent in Bulgarien. Studenten aus ganz Europa haben für uns ihr Mensaessen fotografiert. Was das über ihr Land sagt
23 europäische Länder, 23 Kantinen, 23 Mal Schlange stehen für Gemüsesuppe, Hühnerschenkel oder Rote-Bete-Salat. Was gibt es mittags in Rumänien zu essen? Warum geht Ryan aus Dublin nie in die Mensa? Und was sagt das Essen in der Uni Kopenhagen über Dänemark aus? ZEIT Campus ONLINE hat mit Studierenden aus 23 EU-Ländern gesprochen – über ihr Mittagessen, ihr Uni-Leben und ihr Land. Denn: Mensa-Essen ist politisch.
Mirela Moldovan 🇷🇴, 21, studiert Medizin in Cluj-Napoca
“Als ich bei meinen Eltern ausgezogen bin und mit dem Studium begonnen
habe, habe ich erst mal im Internet nach Rezepten für Suppen gesucht.
Nichts ist typischer für Rumänien als Suppe. Jeden Tag esse ich eine,
zu Hause oder in der Mensa. Als ich das Foto gemacht habe,
gab es Gemüsesuppe, danach Hähnchen mit Reis. Ungefähr drei Euro habe
ich für alles gezahlt. Das finde ich okay – auch weil ich für meine
Ausbildung nichts zahle, weil ich in der Schule gut war. In Rumänien
geht es viel um gute Noten. Wer einen guten Schulabschluss hat, bekommt
ein Stipendium. Wer in den Klausuren an der Uni schlechte Noten
schreibt, riskiert, das Stipendium wieder zu verlieren. Ohne Stipendium
muss man etwa 2.000 Euro im Jahr an Studiengebühren zahlen. Viele meiner
Kommilitonen wollen nach dem Studium wegziehen, zum Beispiel nach
Deutschland, wo man als Ärztin mehr verdient als hier. Auch ich könnte
mir gut vorstellen, ein paar Jahre dorthin zu gehen. Auf lange Sicht
will ich aber zurück: Rumänien ist mein Zuhause.”
Matias Cardena 🇱🇺, 23, studiert Geschichte an der Universität Luxemburg
“Camembert im Speckmantel, dazu Entrecôte in Pfeffersauce mit Pommes Frites und Schnittlauch-Ratatouille – das ist ein ganz normales Mensa-Essen an der Uni Luxemburg. 5,10 Euro habe ich dafür gezahlt. Teuer finde ich das nicht, zumal wir für das Studium vom Staat Geld bekommen, ich bekomme pro Semester etwa 2.000 Euro. Vielleicht steht die Mensa für die ganze Uni Luxemburg oder sogar für das ganze Land: Von Kantinen denkt man oft, sie sind nicht besonders gut und bieten nicht viel. So geht es vielen jungen Menschen mit Luxemburg. Ich war auch überrascht, als ich hier angefangen habe. Nicht nur von der Mensa, auch von der Qualität der Lehre – die Dozenten sind wirklich gut, die Kurse klein und alles sehr international. Es wird auf Deutsch, Englisch und Französisch unterrichtet, jeder muss ein Erasmus-Semester machen. Überall gibt es Rolltreppen und in die Türen in der Bib sind iPads eingebaut, damit man Bücher findet oder einen freien Platz.”
Jiří Blaha 🇨🇿, 24, macht einen Master in Internationale Beziehungen in Brünn
“91 Tschechische Kronen, also etwa 3,50 Euro, habe ich für den Spieß mit Fleisch und Gemüse und den Rote-Bete-Salat bezahlt. Der Preis ist okay und wir zahlen hier auch keine Studiengebühren. Leisten könnte sich ein Studium also theoretisch jeder. Trotzdem finde ich das Bildungssystem nicht fair. Ich hatte Glück, weil ich in der Stadt zur Schule gegangen bin. Dort sind die Schulen besser als auf dem Land und die Wahrscheinlichkeit somit höher, dass man später studieren kann. Und ein Studienabschluss ist wichtig, um in der tschechischen Gesellschaft anerkannt zu werden. Schon in der Schule machen die Lehrer Druck und auch viele Eltern vermitteln das Gefühl: ‘Studiert! Macht nicht nur einen Bachelor, mindestens einen Master oder besser einen Doktor.’ Wer einen Titel hat, der ist wirklich wer.”
Júlia Vujovits 🇭🇺, 25, studiert Geschlechterforschung in Budapest
“Die Teller, das Besteck, sogar die Becher fürs Wasser – alles ist hier aus Plastik. Ich finde das doof. Nach dem Essen wird alles weggeschmissen und es entsteht viel Müll. Trotzdem gehe ich jeden Montag in die Mensa, das ist der einzige Tag, an dem ich momentan Kurse habe. Das Essen ist nicht besonders gesund, aber es schmeckt meistens ganz gut und ist günstig: Umgerechnet habe ich ungefähr 2,50 Euro für die Chicken Nuggets und das Kartoffelpüree gezahlt. Pro Monat brauche ich etwa 500 Euro zum Leben. Ich zahle keine Miete, weil ich in einer kleinen Wohnung lebe, die meinen Großeltern gehört. Budapest ist eine tolle Stadt und mein Zuhause, ich möchte auch in Zukunft hier bleiben. Wenn ich mir den Rest Ungarns anschaue, habe ich manchmal das Gefühl, in Budapest in einer Blase zu leben. Hier scheint es allen gut zu gehen und viele Studierende sind politisch eher links. In Wirklichkeit hat das Land aber viele sehr arme Gebiete und rutscht immer weiter nach rechts.”
Ryan Fishwick 🇮🇪, 24, macht einen Master in Geschichte in Dublin
“Ich spare, wo ich kann. Das heißt auch, dass ich nicht 6,90 Euro für ein bisschen Hühnchen in der Kantine zahle. Da nehme ich mir lieber etwas von Zuhause mit und wärme es auf. Als ich das Foto gemacht habe, hatte ich Nudeln mit Tomatensauce dabei. Dublin ist sehr teuer. Für mein kleines WG-Zimmer zahle ich 670 Euro. Wohnraum ist hier sehr knapp, viele Studierende wohnen bei ihren Eltern oder teilen sich ein Zimmer. Weil ich nicht noch mal auf Zimmersuche gehen möchte, will ich nach meinem Studium in Dublin bleiben. Ich möchte als Lehrer arbeiten, aber mache mir jeden Tag Sorgen, ob ich hier einen Job finden werde. Ich habe auch mal überlegt, nach Großbritannien zu ziehen, wo ein Teil meiner Familie lebt. Jetzt denke ich darüber nicht mehr nach. Ich mache mir Sorgen, wie es mit dem Brexit weitergeht. Ich habe Angst, dass es in Nordirland wieder Tote geben könnte.”
Can Güven 🇦🇹, 23, studiert Publizistik an der Universität Wien
“Der Herr Magister, die Frau Diplomkauffrau: In Österreich wird sehr viel Wert auf den Titel gelegt. Auch meine Eltern wünschen sich einen für mich. Es war eigentlich schon immer klar, dass ich an die Uni gehen werde – auch weil ich dafür mit zehn Jahren auf die richtige Schule gekommen bin: In Österreich wird sehr früh selektiert, wer aufs Gymnasium geht und wer auf die Hauptschule, wer also die Möglichkeit haben wird zu studieren und wer nicht. Das finde ich falsch. Nach der Schule habe ich überlegt, in eine andere Stadt zu ziehen, mich aber ziemlich schnell dagegen entschieden. Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt – zumindest zeigt das das Ranking des Economist. Und für mich fühlt es sich auch so an. Ich mag die Kultur, die Landschaft und die Leute. Und das Essen. Schinkenfleckerl, Cremesuppe und dazu einen Salat habe ich in der Mensa gegessen. Sehr gut und ziemlich österreichisch. Ganz billig war es allerdings nicht: 6,90 Euro habe ich insgesamt gezahlt.”
Anke Vandeweyer 🇧🇪, 18, studiert International Communication and Media in Mechelen
“Das Essen hier in der Mensa ist günstiger, als wenn man anderswo isst. Als ich das Foto aufgenommen habe, habe ich Spaghetti Bolognese für 3,50 Euro und Erdbeeren für 2,50 Euro gegessen. Nur Nudeln werden in diesen Boxen serviert, die anderen warmen Gerichte gibt es auf Tellern, das finde ich besser. Wenn ich den ganzen Tag Kurse habe, gehe ich immer in die Mensa. Dort gibt es gemütliche Couches und sogar ein Klavier, man kann eine richtig gute Pause verbringen. Viele internationale Studierende sagen, dass das Studium in Belgien viel besser ist als in ihrer Heimat. Ich glaube aber, wir haben ein großes Problem: Studentenclubs sind hier ein großes Ding, da kommen Studierende zusammen, um zu feiern und Spaß zu haben. Um Mitglied dieser Clubs zu werden, muss man Prüfungen bestehen und die sind manchmal viel zu krass. Eine Freundin von mir musste sechs Stunden in einem dunklen Raum sitzen, andere mussten nackt auf einer Bühne auftreten. Ich bin auch Mitglied in einem Club, aber so etwas hätte ich nicht gemacht.”
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