Die ostdeutsche Wirtschaft hat aus Sicht des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) seit dem Mauerfall stark gewonnen. “Nach der Wiedervereinigung betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gerade ein Drittel des westdeutschen Niveaus, heute liegt es bei fast 75 Prozent”, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BDI, Holger Lösch, vor Beginn des Ostdeutschen Wirtschaftsforums. Auf dem Forum im brandenburgischen Bad Saarow wollen Vertreter aus Wirtschaft und Politik zwei Tage lang über die Zukunftsperspektiven des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland diskutieren.
“Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich mehr als verdoppelt, die Produktivität stieg um das Vierfache” lobte Lösch die Eintwicklung seit der Wende. Überdurchschnittliche Erfolge gebe es in der Infrastrukturausstattung, in der Wohnqualität und im Umweltschutz. Ostdeutschland wird sich daher nach Überzeugung von Wirtschaftsminister Peter Altmaier wieder zu einer starken Industrieregion entwickeln. Der CDU-Politiker hofft dafür aber auf eine weiterhin starke Förderung aus EU-Mitteln.
“Eine erfolgreiche Industrialisierung in Ostdeutschland kann nur in Zusammenarbeit und mit Unterstützung der EU gelingen”, sagte der Bundeswirtschaftsminster. “Ich setze mich deshalb für den Erhalt der EU-Strukturfondsmittel für die neuen Bundesländer in der nächsten Förderperiode ab 2021 ein.” Oberstes Ziel sei es, zukunftsfähige Arbeitsplätze in den neuen Ländern zu schaffen. Dies solle durch die Förderung unternehmerischer Investitionen, den Ausbau von Infrastruktur und durch Ansiedlung von Bundes- und Forschungseinrichtungen erreicht werden.
Pessimistische Ökonomen
Aus Altmaiers Sicht hat sich in Ostdeutschland bereits ein starker Mittelstand mit vielen international wettbewerbsfähigen Unternehmen und innovativen Zentren entwickelt. “Mir ist wichtig, dass wir den industriellen Mittelstand stärken”, sagte der CDU-Politiker. Etwa durch Bürokratieabbau, eine Entlastungen bei der Körperschaftsteuer, beim Soli oder den Energiepreisen.
Im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsminster glaubt eine Mehrzahl von Ökonomen 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht mehr daran, dass Ostdeutschland noch wirtschaftlich zum Westen aufholen kann. Das hat das Münchner Ifo-Institut zuletzt ermittelt. Als Gründe nannten die Ökonomen die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, einen Mangel an Arbeitsplätzen, Zerstörung der industriellen Netzwerke, unterschiedliche Produktivität sowie zu wenige Industrie-Ansiedlungen und Unternehmenszentralen im Osten. Hinzu kämen mehr Schulabbrecher als im Westen, weniger Forschung und Entwicklung, mangelnde Export-Orientierung sowie eine falsche Wirtschaftspolitik nach 1990.
Auch der Industrieverband BDI sagte, dass der wirtschaftliche Aufholprozess derzeit stagniere. “Das liegt unter anderem an der kleinteiligeren Wirtschaftsstruktur sowie am Fehlen großer Unternehmen und Konzernzentralen zwischen Ostsee und Erzgebirge, was der langen Teilung geschuldet ist”, so Lösch. Angesichts des Fachkräftemangels müssten Weiterbildung und Qualifizierung intensiviert werden. Der Osten müsse aber auch für Zuwanderung attraktiver werden: “Offene oder latente Fremdenfeindlichkeit erweist ganzen Regionen einen Bärendienst.”
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