Austin im März 2016.
Auf dem Technikfestival South by Southwest (SXSW) diskutieren kluge Köpfe über Digitalisierung,
Roboter, künstliche Intelligenz, Genmanipulation und den US-Wahlkampf. Ein Haus in der Innenstadt zieht die Besucherinnen und Besucher besonders an. Zu
Hunderten stehen sie in einer Schlange, die sich bald um den halben Block bildet.
Sie warten darauf, nur wenige Minuten mit dem heimlichen Star des Festivals
verbringen zu können. Nein, nicht mit dem damaligen US-Präsident Barack Obama.
Sondern mit
Grumpy Cat.
Man könnte nun denken: ernsthaft? Menschen stehen eine Stunde an, um ein Selfie mit einer Katze zu schießen, die
so aussieht, als hätte man ihr das falsche Katzenfutter hingestellt? Als sei
sie genau eine falsche Bewegung davor, sämtliche menschlichen Dosenöffner von
der Erdoberfläche zu fauchen? Ja, ernsthaft. Denn Grumpy Cat war nicht nur eine
mürrisch dreinblickende Katze, sondern ein Maskottchen des Internets, gleichermaßen
Influencerin wie Pionierin.
Den Erfolg bekam
Grumpy Cat, eigentlich hieß sie Tardar Sauce, in die Wiege gelegt. Die Mischlingskatze
wurde am 4. April 2012 in Arizona geboren, ein bisschen zu klein, ein bisschen zu
schwach, ein bisschen anders als ihre Geschwister. Genetisch bedingter
Kleinwuchs sorgte dafür, dass sie einen Unterbiss hatte und ihre Mundwinkel stets
herunterhingen, was ihr den markanten grimmigen Gesichtsausdruck verlieh. Ihre
Besitzerin, Tabatha Bundesen, nahm sie trotzdem oder gerade deshalb bei sich
auf. Es war ihr Bruder Bryan, der am 23. September 2012 das erste
Bild der Katze auf der Internetplattform Reddit postete: “Meet
grumpy cat.”
Der Erfolg von Grumpy Cat ging mit dem Erfolg von Instagram einher
Der virale Erfolg
ließ nicht lange auf sich warten. Grumpy Cat triggerte zahlreiche Meme-Mechanismen. Schließlich war sie eine Katze, und das Internet liebt Katzen. Grumpy Cat reihte sich
somit nahtlos in die Hall of Fame zwischen Keyboard Cat, Longcat und Nyan Cat ein, inspirierte
Photoshop-Wettbewerbe, T-Shirts, animierte Gifs.
Ihr Anderssein traf
zudem den Nerv von Onlinecommunitys wie Reddit und 4chan. Das mürrische Gesicht,
unterschrieben mit einem simplen “NO”, wurde zum geflügelten Ausdruck
einer ganzen Generation von Internetnutzerinnen, die lieber in Gifs und Emojis als
in Worten antwortete. Mottos wie “Ich hatte einmal Spaß, es war furchtbar”
waren wunderbar selbstironisch.
Nun lacht das
Internet häufig nur kurz; die Halbwertszeit eines viralen Phänomens reicht meist nur bis zur nächsten Facebook-Challenge. Grumpy Cat aber blieb
erfolgreich. Das war nicht nur ihren Besitzern zu verdanken, die sich schnell
die entsprechenden Websites und Social-Media-Accounts sicherten und weitere
Fotos und Videos lieferten. Nein, fast gleichzeitig mit Grumpy Cat etablierte sich auch eine
neue Plattform: Instagram.
Instagram brachte
eine neue Unmittelbarkeit in die sozialen Netzwerke. Es machte den Begriff des
“Selfie” geläufig und lieferte nicht nur neue Formen der
Selbstdarstellung, sondern auch noch eine neue Möglichkeit, Selbstdarstellung
vermarkten zu können. Die Bundesens erkannten dieses Potenzial und so wurde ihre Katze
als verlängerter Arm ihrer Selbstdarstellung zu einer der ersten
“Petfluencer” auf Instagram: Plötzlich konnten die Follower der Katze
ganz nah sein, neuer grumpy content
war buchstäblich nur ein Fingerwischen entfernt.
Heute machen
Tiere einen wichtigen Teil von Instagram aus. Es gibt weitere Katzen wie Nala und Lil Bub, Hunde, Igel,
Schweine, Kurzkopfgleitbeutler mit eigenen Accounts – manche von ihnen zählen Millionen von
Followern. Zahlreiche Anwälte und Talentagenturen haben sich auf die tierischen Klienten spezialisiert. Grumpy Cat besitzt längst
nicht mehr den erfolgreichsten Tieraccount, aber sie hatte großen Anteil an
der Entwicklung tierischer Influencer.
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