Schweden
wieder, das Land, das schon seit Ewigkeiten eine CO2-Steuer hat: ganz
vorne beim klimapolitischen Trendsetting. Aus Schweden kommen ja
nicht nur Greta Thunberg, die junge Grand Dame des Klimaaktivismus,
und Björn Ferry, ein Olympiasieger im Biathlon, der Aufträge im
Ausland nur noch annimmt, wenn er mit dem Zug anreisen kann. Es gibt
dort außerdem Entwicklungen, die darauf schließen
lassen, dass in Klimafragen tatsächlich ein kultureller
Wandel im Gange sein könnte. Einer, der nicht nur von einigen
wenigen medial präsenten Figuren vorgelebt wird.
Vor
einiger Zeit, als Thunberg noch keine öffentliche Figur war, wurde
dort etwa das Wort flygskam
kreiert, “Flugscham”; ein Begriff, für den es mittlerweile in
mehreren Sprachen Entsprechungen gibt. Der Schwedische Sprachenrat,
zu dessen Aufgaben es gehört, neue Wörter zu registrieren, hat das
Wort in einer Zeitung entdeckt,
dem Svenska Dagbladet vom 14. März 2018.
Bemerkenswert ist an dieser Wortschöpfung weniger, dass es sie gibt,
sondern dass sie seitdem eine internationale Medienkarriere hinlegt,
weil offensichtlich für viele sofort verständlich ist, was sie
beschreibt: die Scham darüber, auf Kosten aller die Kontrolle über seinen ökologischen Fußabdruck
verloren zu haben.
Die
Frage ist allerdings, ob sich wirklich das Reiseverhalten ändert
oder ob erst mal nur ein Modewort zum Lebensstil aufgeladen wird wie
zuletzt das dänische hygge. Dass plötzlich die
Vorzüge des Fliegens in Vergessenheit geraten, ist jedenfalls
schwer vorstellbar.
Die
Möglichkeit, die Welt kennenzulernen, ist einer der
zivilisatorischen Fortschritte der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts, den viele mitgehen wollen. Und er ist mit dem Fliegen
verbunden. Dass man die Welt besser versteht, wenn man den eigenen
Beritt verlässt, gilt unter Leuten, die sich über ihre
Weltoffenheit definieren, als ausgemacht. Und diese Erkenntnis kann
man ja auch kaum abräumen, ohne sich lächerlich zu machen. Der
Rückzug in die Heimeligkeit hinter dem Jägerzaun ist keine Option.
Natürlich sind die Sinneseindrücke, die man während eines
Motorradtrips durchs vietnamesische Hinterland gewinnt, nicht durch
die Lektüre eines Bildbands über die Kaiserstadt Hué zu ersetzen. Denn Letzterer ist einem Bildband über die Sahara ähnlicher als eine
Vietnamreise.
Man versteht mehr, vor allem auch einiges mehr über
Dinge, die man gar nicht auf dem Schirm hatte, wenn man sich vor Ort
aufhält. Deswegen fällt auch die virtuelle Reise mit 3-D-Brille auf
absehbare Zeit als ernstzunehmende klimafreundliche Alternative wohl
aus. Selbst den digitalaffinen Schülern von heute müsste man erst mal erklären, warum sie lieber eine
Online-High-School besuchen sollten, als zum Austauschjahr in die
USA
zu fliegen. Um den Schulbesuch allein geht
es ja nicht. Wohl kaum irgendwo reift man derart wie bei längeren
Aufenthalten in kulturell eher fremden Ecken der Welt.
Wer
sich über flygskam
freut, sollte also auch eine noch jüngere schwedische Wortschöpfung
zur Kenntnis nehmen. Im Svenska Dagbladet fiel im Zusammenhang mit
der “Flugscham” zuletzt mehrmals auch ein anderes Wort, das als
Reaktion darauf zu verstehen ist – smygflyga.
Um die Weltklimaziele zu erreichen, müssten wir weniger fliegen,
stand in der Zeitung. Meinungsmacher würden auf sozialen Druck
setzen und die Peinlichkeit des Fliegens betonen. Das allerdings
beinhalte ein Risiko: dass die Leute es dann eben heimlich täten,
also smygflyga.
Ob heimlich oder nicht, wäre dem Klima aber ziemlich schnuppe.
Dass
es in Deutschland einen Flugscham- oder einen Greta-Effekt gibt, ist
erst recht nicht ausgemacht. Es sieht momentan eher so aus, als habe
sich das Reden über das Reisen stärker verändert als das Reisen
selbst. Einer neuen Umfrage zufolge beziehen zwar mittlerweile knapp
57 Prozent der Deutschen “den Einfluss auf die Umwelt bei ihrer
Reiseplanung mit ein”. Das ist aber nur das, was sie sagen. Im
Verhalten spiegelt sich das anderen Erkenntnissen zufolge nicht –
oder noch nicht – wider. “Die Menschen”, wurde ein Vertreter
des Deutschen Reiseverbands kürzlich vom MDR zitiert, “kaufen noch nicht so häufig nachhaltige Reisen”, wie es laut
diverser Umfragen “eigentlich sein müsste”. Ob sich das ändert,
wird man erst nach der Saison beurteilen können; ob ein solcher
Trend gegebenenfalls anhielte, wäre auch dann noch nicht geklärt.
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