In Badelatschen schlurfte Earvin N’Gapeth über den Flur des Teamhotels am Alexanderplatz. Er hatte seine rote Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen und Kopfhörer-Stöpsel in den Ohren. Der Franzose wollte all dem Trubel aus dem Weg gehen, der auf der anderen Seite des Gangs herrschte. Dort hatten sich bei der Pressekonferenz vor den Finals der Volleyball-Champions-League für Frauen und Männer in Berlin die Trainer sowie einige Spielerinnen und Spieler der vier Teams eingefunden. Sie posierten mit den Pokalen und gaben Interviews. Aber N’Gapeth war nicht dabei. Bloß kein Trubel.
Auf dem Volleyballfeld steht N’Gapeth für Spektakel. Von dem Außenangreifer des russischen Titelverteidigers Zenit Kasan kursieren im Internet zahlreiche Filmchen, die Titel wie „N’Gapeths verrückte Aktionen“ tragen – und damit doch untertrieben sind. Denn was der 28-Jährige auf dem Feld zeigt, ist oft pure Magie. Er rettet Bälle, denen viele Spieler gar nicht erst hinterherspringen. Er punktet aus Situationen, in denen viele den Ball gar nicht mehr übers Netz bringen. Und ihm gelingen Aktionen, mit denen er seine Gegner demütigt. Etwa wenn er am Netz hochspringt, sich um 180 Grad dreht und mit dem Rücken zum Gegner trotzdem den Ball am Block vorbeibugsiert.
Wenn an diesem Samstag in der mit 9000 Zuschauern ausverkauften Max-Schmeling-Halle die italienischen Frauen-Teams Novara und Conegliano (16 Uhr) sowie die Männer-Teams Kasan und Italiens Meister Civitanova (19 Uhr/beide live auf Eurosport) die Champions-League-Sieger im Volleyball ausspielen, sind viele grandiose Spieler und Spielerinnen dabei. Doch N’Gapeth ist darunter wohl der beste. Und er geht dieses Finale mit einer besonderen Motivation an. Denn er ist mit der französischen Nationalmannschaft zwar schon Europameister geworden, hat die Weltliga gewonnen sowie Meistertitel in Italien und Frankreich. Doch der Champions-League-Titel fehlt ihm noch.
N’Gapeth geriet schon mit dem Gesetz in Konflikt
„Es ist klar, dass ich nach Kasan gewechselt bin um die Champions League zu gewinnen“, sagte N’Gapeth vor seiner Ankunft in Berlin dem europäischen Volleyball-Verband. Vor sechs Jahren stand er schon einmal im Finale und verlor. „Jetzt habe ich endlich meine zweite Chance bekommen – und die will ich auf gar keinen Fall verpassen.“ Diesem Ziel ordnet N’Gapeth alles unter.
„Was ihn von all den Topspielern unterscheidet: Earvin ist ein wahnsinnig wetteifernder und ehrgeiziger Spieler. Ich kenne niemanden, der es so sehr hasst zu verlieren“, sagt Cedric Enard. Und der Trainer der BR Volleys kennt sich bestens aus im Volleyball. Der Franzose kennt N’Gapeth schon, seit dieser ein kleiner Junge war und ist gut mit ihm befreundet. Als Enard noch Spieler war, trainierte er unter N’Gapeths Vater Eric. Der junge Earvin war immer mit ihnen in der Halle. „Er hat pausenlos mit dem Volleyball gespielt. Wir wussten schon sehr früh, dass er ein außergewöhnlicher Spieler werden würde“, sagt Enard. „Aber dass er so unglaublich wird, ist bemerkenswert.“
Doch N’Gapeth produziert nicht nur auf dem Feld Schlagzeilen. Er hat bereits einige Rap-Alben veröffentlicht – geriet aber auch schon mit dem Gesetz in Konflikt. Weil er in eine Nachtclub-Schlägerei verwickelt war oder weil er einen Schaffner angegriffen hatte. „Das Image des Bad Boys wird ihm aber nicht gerecht“, sagt Enard. „Er ist einfach extrem loyal. Wenn seine Familie oder seine Freunde beleidigt werden, schreitet er ein. Mittlerweile ist er aber ruhiger geworden.“ Nicht jedoch auf dem Feld. Und das wird er am Samstag sicher eindrucksvoll beweisen.
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