Gedankenexperiment:
Sie wollen in den Urlaub fahren, weil Sie zu viel arbeiten. Zusammen
mit ihrem
Partner, an dessen entspanntes Lächeln Sie sich nur noch entfernt
erinnern, planen Sie
einen Kurzurlaub. Weil Sie, obwohl Sie
so viel arbeiten, gar nicht mal so viel verdienen, entscheidet das
Billigflieger-Angebot, in
welche mediterrane Hafenstadt es geht. Die
Unterkunft buchen Sie auf Airbnb.
Als sie das Apartment wenige Tage später betreten, fühlen Sie sich
sofort wie zu Hause. Es ist tatsächlich so schnuckelig, wie es die
Fotos auf Airbnb versprachen. Die Hitze des Tages steckt noch in den
Mauern, aus der Ferne rauscht das Meer. Sie wollen kurz duschen und
dann in einem der Restaurants am Hafen zu Abend essen. Vorher müssen
Sie das Apartment nur
noch
schnell nach Überwachungskameras absuchen.
Was
klingt wie eine Urlaubsdystopie, ist gar
nicht mal so unwahrscheinlich. Berichte über Airbnb-Gastgeber,
die ihre Gäste illegal überwachen, häufen sich: aus den USA
und Kanada,
aus Bulgarien und Irland, aus Griechenland. Dort entdeckte eine Familie Kameras in jedem
Zimmer der
gebuchten
Villa, ein Gerät
war
auf die Toilette gerichtet. 2015 floh eine US-Amerikanerin aus ihrer
Schweizer Unterkunft, nachdem sie in ihrem Airbnb-Apartment
ein iPhone und ein
iPad
gefunden hatte, die sie aufzeichneten. Im selben Jahr einigte sich
Airbnb mit einer Deutschen, die wegen eines ähnlichen
Falls gegen das kalifornische Milliardenunternehmen geklagt hatte. Und erst kürzlich wurde ein chinesischer Superhost verhaftet, nachdem eine Frau eine Kamera im Schlafzimmer entdeckte. Den Titel Superhost vergibt Airbnb eigentlich an besonders zuverlässige Gastgeber mit vielen positiven Bewertungen.
“Du sollst nicht spionieren”
Oft
beginnen die Geschichten der
Ausspionierten so,
wie ein Urlaub eben beginnt: Über die Weihnachtsfeiertage verreiste Jeffrey Bigham, ein Informatik-Professor aus
Pittsburgh,
mit
seiner
Familie nach Seattle. Am
zweiten
Urlaubstag entdeckte er eine seltsame Stelle in der Zimmerecke. Es
war eine Kamera. Sie zeichnete auf. Der Informatiker deaktivierte sie
und ein weiteres Gerät und informierte Airbnb.
Sein zweijähriger Sohn, so
rekapituliert
es
Bigham
in einem Blogpost,
sei wahrscheinlich auch mal nackt durchs Bild gelaufen. Airbnb tat
erst einmal
wenig. Die
Kamera, antwortete
der
Kundenservice,
sei im Inserat
zwar nicht angegeben, auf den Bildern jedoch
erkennbar
gewesen. Das stimmt: Wenn man sich anstrengt, erkennt man auf einem
Foto einen kleinen schwarzen Punkt. Folgt
man der Argumentation von Airbnb, wäre es die Aufgabe
der Reisenden, nach Kameras
zu
suchen.
In
Airbnbs Community-Bestimmungen – wenn man so will, den
zehn Geboten des
Apartment-Sharing
– ist das Thema eigentlich geregelt: Kameras sind nur in
Aufenthaltsräumen, nicht aber in “privaten Bereichen” wie Bad
oder
Schlafzimmer erlaubt. Außerdem
ist der Gastgeber dazu verpflichtet, alle Überwachungsgeräte
in seinem Inserat zu
erwähnen
sowie
den Gast zu
Beginn seines
Aufenthalts über
eingeschaltete Kameras zu informieren.
Geschieht
das nicht, wird
der Aufenthalt erstattet und der Host auf
der Website gesperrt.
“Du
sollst anderen nicht nachspionieren“, heißt es auf Airbnb.
Eigentlich
unmissverständlich.
Laut
Bundesdatenschutzgesetz ist Videoüberwachung in nicht-öffentlichen Räumen zwar unter bestimmten Vorraussetzungen
erlaubt, aber: “Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer
bestimmten Person zugeordnet, so besteht die Pflicht zur Information
der betroffenen Person über die Verarbeitung” (Kap. 2 § 4 BDSG).
Neben der Informationspflicht
besteht auch das Recht auf Löschung der Daten.
Gegenüber
ZEIT ONLINE erklärt Airbnb: “Die
Sicherheit und die Privatsphäre unserer Nutzer haben für uns
oberste Priorität. Wir haben strenge Standards für
Überwachungsgeräte in den Angeboten auf Airbnb und nehmen Berichte
über Verstöße sehr ernst. Es gab bisher mehr als eine halbe
Milliarde Gästeankünfte auf Airbnb und negative Vorfälle sind sehr
selten.” Seit 2018 werden Überwachungskameras in den Hausregeln aufgeführt, denen der Gast vor der
Buchung zustimmen muss. Das gilt natürlich nur für Geräte, von
denen der Gastgeber Airbnb in Kenntnis gesetzt hat.
Für Airbnb sind
die Überwachungskameras ein doppeltes Problem. Erstens können
wenige Fälle das Vertrauen vieler Kunden zerstören – und damit
die Geschäftsgrundlage der Sharing-Plattform. Zweitens kann Airbnb
die heimliche Überwachung nicht verhindern, sondern nur im
Nachhinein sanktionieren. Das Unternehmen ist eben nicht Vermieter,
sondern nur Vermittler. Derzeit listet die Plattform mehr als sechs Millionen Privatunterkünfte.
Hits: 56