Eine
Wohnung, so radikal wie seine Bewohner. Im Jahr 1926 entwarf Marcel Breuer für den avantgardistischen Theaterrregisseur Erwin Piscator
und seine Frau Hildegard eine bahnbrechende Einrichtung. Seit 1925
Jungmeister am Dessauer Bauhaus und Leiter der dortigen
Möbelwerkstatt, inszenierte der erst 24-jährige Breuer eine
programmatische Bühne für das Neue Wohnen. Der gebürtige Ungar
entfernte Stuck und gründerzeitliche Flügeltüren, ließ alle Räume
mit Spannteppichen auslegen, die Böden, Wände und Decken wurden
farblich unterschieden und bildeten den Rahmen für die neuesten
Möbel des Bauhauses. Alles war aus den Elementen Kreis, Viereck und
Dreieck entwickelt. Kugellampen gesellten sich zu den dreieckigen
Füßen des Esstischs, leichte Stahlrohrstühle mit luftiger
Eisengarnbespannung zur monochromen Fläche des Bodens. Eine Wand war
von einem schmalen, hängenden Regalband und drei Glaskugeln
akzentuiert.
Breuer
ging vom Menschen aus: “In hellen einfarbigen Räumen wirken
organische Wesen intensiver”, betonte er. “Dekorationen dieser
Räume sind das tägliche Kleingerät, der Mensch selbst und die
besten Ornamente unseres Interieurs: die Pflanzen.” Und doch waren
es vor allem Breuers Stahlrohrmöbel, die Furore machten. Kaum mehr
als eine Handvoll Einrichtungen realisierte er bis zu seiner
Emigration 1933. Keine ist erhalten geblieben. Die Einrichtung des
Verlegers Paul Boroschek ebenso wenig wie das Studio der
Gymnastiklehrerin Hilde Levy oder Breuers eigene Berliner Wohnung.
Zwar gab es zuvor schon in Krankenhäusern und in Fabriken
Metallmöbel, doch die raffinierte Klarheit der Bauhaus-Möbel war
neu. Wie Skulpturen standen die Hocker, Stühle und Holzkästen vor
den farbigen Wänden und entfalteten eine völlig neue Schönheit.
Doch das zuvor nie Gesehene war nur wenigen zugänglich; erst seit
den Sechzigerjahren begann das Interesse an Bauhausmöbeln zu
wachsen. Nun erst wurde einer jüngeren Generation bewusst, was die
avantgardistischen Entwerfer der Zwanziger erreicht hatten.
Vor
allem erfanden die Bauhäusler das Sitzmöbel neu. Der Mensch
schwebte nun freischwingend über dem Boden. Bahnen aus Eisengarn
oder Lederhäuten waren zwischen den – vernickelten, verchromten
oder bunt lackierten – Stahlrohren und Kufen gespannt. Zwei
überragende Möbel-Entwerfer vor allem prägen das Bild vom Bauhaus:
Ludwig Mies van der Rohe, der Magier einer ebenso klassischen wie
radikalen Moderne, und der 16 Jahre jüngere Marcel Breuer mit seinen
bahnbrechenden Entwürfen in Stahlrohr und Holz. Doch neben der
revolutionären Verwendung von Stahl wurden auch die Textilien zum
eigenständigen künstlerischen Material nobilitiert. So meisterhaft
und innovativ die Metallgestalter und Holzbauer waren, so wenig
standen ihnen die Weber (meist waren es Frauen) nach.
Ein
fundamentales Problem für jeden Sammler liegt darin, dass sich
Bauhaus-Möbel oft nur schwer datieren lassen. Denn sie waren nicht
als Unikate, sondern für die Serienproduktion konzipiert oder trugen
zumindest die Reproduzierbarkeit als programmatischen Aspekt in sich.
Dieser Dualismus von originärem Kunstwerk und Gebrauchsgegenstand
ist ein wesentliches Element ihrer epochalen Bedeutung. Die
Bauhaus-Meister Klee und Kandinsky, Schlemmer und Itten, Moholy-Nagy
und Feininger kümmerten sich um die freie Kunst, während
gleichzeitig Breuer oder Albers, Marianne Brandt oder Erich Dieckmann
das Möbelbauen zu einer eigenständigen Disziplin erhoben.
Die
Produktion des Bauhauses muss in zwei Phasen getrennt werden. Zum
einen die Zeit in Weimar, wo von 1919 bis 1925 die Wiedergeburt des
Handwerks in Abgrenzung zur Industrie im Zentrum stand. In Dessau,
von 1925 bis 1932, verbrüderten sich die einst als Gegensatz
empfundenen Strömungen unter dem Motto “Kunst und Technik – eine
neue Einheit”. Ästhetisch wie weltanschaulich liegt ein ganzer
Kosmos zwischen den entwerferischen Ansätzen: In Weimar dominierten
erdige Töne, die Möbel und die kleineren Gebrauchsgegenstände
waren meist aus Holz gefertigt, ergänzt durch Metallarbeiten und die
Holzschnitt-Grafik in den Publikationen. Das Handwerk beherrschte das
frühe Bauhaus. Erich Dieckmann baute konstruktive Holzmöbel, Marcel Breuer experimentierte mit seinen “Lattenstühlen”, und Farbe fand
durch die Webteppiche von Gunta Stölzl und Anni Albers ihren Weg in
die Interieurs.
Die
schimmernde Stahlrohrwelt kam erst 1926 mit der Einweihung des
gleißenden Dessauer Kunsttempels von Walter Gropius, dem
Bauhaus-Direktor. Hinter den glattweißen und gläsernen Membranen
experimentierten nun die Meister und Studenten mit Metall für
Lampen, Stühle, Tische und Hocker. Und auch der Schwerpunkt der
meisten Sammler liegt bei den berühmten Entwürfen der zweiten
Hälfte der Zwanzigerjahre. Sie stehen ikonenhaft für eine neue Zeit
und haben bis heute nichts von ihrer verheißungsvollen Modernität
eingebüßt.
Bauhaus-Möbel sind am Markt selten
Jeder
muss selbst entscheiden, ob er sich auf die berühmten Einzelstücke
konzentriert oder seine Sammlung eher enzyklopädisch anlegt. Doch
die empfindlichste Einschränkung sei gleich vorweg benannt: Der
Markt bietet nur noch wenige von Bauhäuslern gestaltete Möbel, die
auch tatsächlich in den Zwanzigern oder Dreißigern hergestellt
wurden. Weltweit führend ist Ulrich Fiedler in Berlin; kein anderer
Händler in der Welt kommt auch nur ansatzweise an sein Angebot
museumsreifer Möbel und anderer Bauhaus-Objekte heran. Schon seit
den Achtzigerjahren ist das Münchner Auktionshaus Quittenbaum auf
dem Feld aktiv; im Juni findet dort zum Bauhaus-Jubiläum eine
Spezialauktion statt. Genauso wie Ende Mai bei Grisebach in Berlin,
wo eine eindrucksvolle Parade von früh datierten Möbeln Breuers,
Mies van der Rohes und anderer Bauhaus-Designer aufgefahren wird.
Insgesamt ist der Auktionsmarkt aber keine sprudelnde Bauhaus-Quelle
mehr.
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