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“Game of Thrones”: Das letzte Geläut

Hinweis: Dieser Text enthält Spoiler zur fünften Folge der achten Staffel von “Game of Thrones” sowie zu
früheren Folgen der Serie.

Vor gar nicht allzu
langer Zeit jubelten wir alle noch, dass Game
of Thrones
, die Serie, für die das Wort sexposition erfunden wurde, die
Serie, die mit erschütternder Regelmäßigkeit Vergewaltigungsszenen als Plotdynamo
einsetzte, endlich den Frauen die Regie übergeben habe. Und tatsächlich standen
sich am Anfang dieser vorletzten Folge fast nur Herrscherinnen
gegenüber: Daenerys setzt zum Angriff auf King’s Landing an und sinnt auf
Rache gegen Cersei, die sich in ihrem mittelalterlichen Führerbunker verschanzt
hat. Sansa schmiedet fernab im hohen Norden ihre Ränke und Yara Greyjoy regiert
wohl die Iron Islands. Westeros ist fest in Frauenhand.

Aber leider erweist Game of Thrones den Frauen damit einen
Bärendienst. Denn sie sind
verantwortlich für den Krieg, den es zu beenden gilt. Sie stehen dem
Abschluss des Epos im Wege. Sie sind nicht mehr die Opfer, sondern die
Kriegstreiberinnen, die Anstachlerinnen – umgeben von Männern, die ratlos die
Stirn runzeln und zur Vorsicht mahnen. In dieser Folge prügeln sich die Männer,
verraten einander und verabschieden sich hoch emotional – die große Schlacht
aber wird von den Frauen bestimmt. Und es ist sicherlich kein Zufall, dass die
wohl apokalyptischste, brutalste und düsterste
Schlacht in dieser an Gemetzel wirklich nicht armen Serie nur verbrannte Erde
hinterlässt. Hinter den Kulissen stehen schon jede Menge Männer bereit, die seit sieben Staffeln die Macht nicht
wollen und deren Herumlavieren die
Serie jetzt zum Verdienst uminterpretiert.

Die fünfte Folge beginnt
damit, dass sich Tyrion und Varys ihrer Drachenkönigin nicht mehr sicher sind.
Sie wünschen sich den braven Jon Snow zum König. Daenerys lässt sich, ebenso
wie ihre Kontrahentin Cersei, von
ihrem Gefühl leiten, von der Trauer um ihre Drachen, um die vielen nicht
weißen Soldaten, die ihr gefolgt sind und die sie und Jon in der Schlacht um
Winterfell in strategischer Unfähigkeit
verheizt haben. Und natürlich um ihre Zofe Missandei, die Cersei
in der vergangenen Folge vor Daenerys’ Augen köpfen ließ – eine Szene, die mehr noch als viele andere in der Serie den Vorwurf des fridging bestätigt, nämliche eine (meist weibliche) Figur möglichst grausam zu töten, um den Held oder in diesem Fall die Heldin zu weiteren Taten zu motivieren. Der “letzte Krieg” droht in seiner Endphase zum Inbegriff misogyner
Klischees zu verkommen: zum Kampf zwischen Hysterikerinnen. 

Opfer ihrer eigenen messianischen Selbstwahrnehmung

In der Schlussszene der vierten
Folge fiel der Begriff, der diesen Kampf thematisch bestimmen sollte: “Dracarys”
war das letzte Wort Missandeis vor ihrer Exekution durch Cersei. Das valyrische Wort für Feuer ist
zugleich der Befehl für Daenerys’ Drachen, anzugreifen und die Feinde ihrer Drachenmutter
durch ihren Feueratem zu töten. Zum ersten Mal gab Daenerys den Befehl, als sie einen Sklavenaufstand anzettelte. In
dieser brillanten Szene wurde klar, dass die junge
Königin eine Vision und eiskalten Herrschaftswillen besaß, aber eben auch ein gutes
Stück Wahnsinn.

Damals wurde die Szene den
Zuschauern eindeutig zur Bewunderung angeboten. Die Ambivalenz, die der
Figur innewohnen sollte, haben die Autoren David Benioff und D. B. Weiss nie hinbekommen – lange
entschuldigten sie Daenerys implizit durch die jeweiligen Umstände, bis
sie es
dann plötzlich nicht mehr taten. Und als der Befehl “Dracarys” in dieser fünften
Episode zum ersten Mal fällt, wird klar, dass der Zorn der Königin schrecklich,
maßlos und menschenverachtend sein kann. Varys, des Verrats überführt, wird von Daenerys auf genau
jene Art hingerichtet, mit der auch ihr Vater, der wahnsinnige König Aerys, seine Gegner
getötet hatte. “Ich hoffe, ich liege
falsch”, sagt Varys vor seinem Tod in Richtung Tyrions. Er meint damit seine
Einschätzung der Drachenkönigin. Er liegt nicht falsch.

Solche Zitate sind in dieser
finalen Schlacht um King’s Landing Programm. Daenerys wird Opfer ihrer eigenen messianischen
Selbstwahrnehmung, Gefangene jenes Weges, den sie in den letzten sieben
Staffeln zurückgelegt hat und der vom Zuschauer wohlwollend begleitet worden
ist. Den Drachenflug über King’s Landing, den zerstörten Thronsaal hatte sie in
der zweiten Staffel schon in einer Vision gesehen. Nun führt sie das damals Gesehene
fast traumwandlerisch aus.

Die ständigen Zitate des
Stücks Light of the Seven, jenes Requiems,
mit dem Serienkomponist Ramin Djawadi in der siebten Staffel die Vernichtung
des Doms von King’s Landing durch Cersei begleitete, machen deutlich, dass Daenerys’
Zerstörung der Stadt nichts anderes ist als die Fortsetzung eben jener
Tyrannei, die sie behauptet beenden zu wollen. Sie wird zur Tochter ihres
Vaters, dessen Plan zur Vernichtung von King’s Landing (seinerzeit vereitelt
durch Jaime) sie nun unter dem Deckmantel einer angeblichen Befreiung umsetzt. Nachhaltiger
kann man die Heldenstory à la Tolkien wohl nicht mehr dekonstruieren: Wir haben
Daenerys sieben Staffeln dabei zugesehen, wie sie eine Persönlichkeit wird; nun
erkennen wir, dass sie doch nur Spross ihrer Familie ist.  

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