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Funktionaler Analphabetismus: Buchstäblich ganz unten

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6,2 Millionen Deutsche haben große Probleme mit Lesen und Schreiben. Forscher sprechen von “geringer Literalität”. Betroffene finden weniger Zugang zu wichtigen Informationen – und haben es im Alltag schwer.

13. Mai 2019

Die LEO-Studie*

Ein Team der Universität Hamburg teilte die Befragten nach ihren Fähigkeiten im Lesen und Schreiben in fünf Kompetenzstufen ein. Wer sich auf einer der untersten drei Alpha-Levels (1 bis 3) befindet, gilt als »gering literalisiert«, man spricht auch von funktionalem Analphabetismus. Die fehlende Grundbildung bereitet diesen Menschen Schwierigkeiten im Alltag und bei der Arbeit. Wichtig: Knapp die Hälfte der Betroffenen mit geringen Lese- und Schreibfähigkeiten hat als Kind eine andere Sprache als Deutsch gelernt. Viele von ihnen besitzen in ihrer Herkunftssprache eine ausreichende Schriftsprachkompetenz.

Lesehilfe

So lesen Sie das Beispiel: Unter den Menschen der Stufen Alpha 1 bis 3 sind 12,9 Prozent arbeitslos, unter denen, die über der Stufe 4 liegen, sind es 3,2 Prozent. Erklärung in einfacher Sprache: Auch in Deutschland gibt es Menschen, die nur schlecht lesen und schreiben können. Sie haben viele Nachteile. Das haben Forscher jetzt genauer untersucht. Dabei haben sie zum Beispiel herausgefunden, dass solche Menschen nicht so einfach einen Job finden. Mehr als 12,9 Prozent von ihnen sind arbeitslos. Und das, obwohl die Wirtschaft gerade viele Leute braucht. Von den Menschen, die gut lesen und schreiben können, haben nur 3,2 Prozent keine Arbeit.

Klare Verbesserung

In Deutschland leben 6,2 Millionen Menschen mit geringer Literalität (12,1 Prozent der Deutsch sprechenden Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren). 2010 waren es noch 7,5 Millionen.

Mehr Männer

Der Männeranteil unter den gering Literalisierten ist höher als jener der Frauen. Dieses Verhältnis spiegelt wider, dass Frauen im Schnitt besser gebildet sind.

Ohne Job

Wer mit dem Lesen und Schreiben Probleme hat, der ist häufiger arbeitslos. Fachleute vermuten, dass eine fehlende Grundbildung in Zukunft eine noch größere Hürde bei der Jobsuche sein wird.

Computernutzung

Gering Literalisierte nutzen seltener den Rechner. So sucht nur knapp die Hälfte von ihnen regelmäßig Informationen über Produkte und Preise im Internet, bei den gut Literalisierten sind es etwa drei Viertel.

E-Mails verfassen

Fehlende Grundbildung hemmt auch die Kommunikation. Dann fällt es etwa schwer, regelmäßig E-Mails zu schreiben: Das tun nur etwas mehr als ein Drittel der Betroffenen.

Sprachnachrichten

Anstatt Nachrichten zu schreiben, versenden funktionale Analphabeten lieber Sprachnachrichten – zumindest häufiger als ausreichend gebildete Menschen.

Online-Banking

Online-Banking löst die Überweisung am Schalter oder per Papierformular Stück für Stück ab. Betroffene auf den unteren Kompetenzniveaus nutzen es jedoch deutlich seltener.

Nachrichtenkonsum

Nur knapp ein Viertel der gering Literalisierten informiert sich regelmäßig per Zeitung oder Internet. Darunter dürften viele sein, die Nachrichten in ihrer Herkunftssprache lesen.

Fake-News erkennen

Etwas mehr als die Hälfte derjenigen, denen das Lesen schwerfällt, findet es (eher) einfach, zu erkennen, ob Nachrichten glaubwürdig sind. Bei den Menschen ohne Leseprobleme sind es 82 Prozent.

Beipackzettel

Risiken und Nebenwirkungen eines Medikaments entnimmt nicht jeder der Packungsbeilage: Während von den gut Literalisierten 72,6 Prozent häufig den Beipackzettel lesen, sind es bei nicht ausreichend Alphabetisierten 55,8 Prozent.

Engagement

Auch Engagement erfordert Grundbildung, wie es scheint. Von denjenigen, die unsicher lesen und schreiben, sind nur 7,1 Prozent mindestens einmal im Monat ehrenamtlich tätig, bei den anderen sind es immerhin 23,1 Prozent.

Wählen gehen

Große Unterschiede gibt es auch beim Wählen. Hier geben aus der einen Gruppe knapp zwei Drittel an, sie würden (meist) ihr Wahlrecht nutzen, in der anderen sind es über 90 Prozent.

Bücher vorlesen

Bildung “vererbt” sich. Das zeigen die Zahlen derjenigen, die angeben, sie würden ihren Kindern regelmäßig vorlesen. Hier handelt es sich um Selbstauskünfte: Die echten Zahlen zum Lesen und zum Wählen dürften niedriger liegen.

Funktionaler Analphabetismus: Sie sind öfter arbeitslos und gehen seltener wählen

Sie sind öfter arbeitslos und gehen seltener wählen

Hintergrund: Ein Team der Universität Hamburg befragte und testete im Auftrag des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung eine repräsentative Zufallsauswahl von insgesamt
7.192 Deutsch sprechenden Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren.

Illustration: Doreen Borsutzki; Recherche: Martin Spiewak

Quelle: *”LEO 2018 – Leben mit geringer Literalität”, Studie unter Leitung der Hamburger Bildungswissenschaftlerin Anke Grotlüschen

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