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E-Autos: Elektrische Hyperaktivität

Was haben Tesla und Volkswagen gemeinsam?
Beide gehören zu den Pionieren der Elektromobilität. Kein Witz: Schon vor zehn
Jahren stellten sowohl die Kalifornier als auch die Niedersachsen ihre
Akkumobile vor – Tesla das Model S, VW den E-Up. Das amerikanische Modell war das teure Luxusprodukt eines
Newcomers, die deutsche Variante das wendige Urbanvehikel eines renommierten Herstellers.

Der weitere Verlauf widersprach
einschlägigen Branchenregeln: Die Amerikaner setzten sich durch, treiben bis heute die
traditionellen Premiummarken vor sich her. Das deutsche Auto dümpelte in den Verkaufszahlen
unter dem Radar – obwohl die Voraussetzungen für Elektromobilität hierzulande eigentlich besser waren. Mittlerweile ist der flinke Stromer von VW nicht mehr bestellbar,
auch der später lancierte E-Golf fährt demnächst in Rente.

Das großspurige Auftreten von
Tesla-Chef Elon Musk, vermutet mancher, half Tesla, sich als innovative Marke zu präsentieren. Ein krasser Gegensatz zur zurückhaltenden Art, mit der VW
bislang seine Stromer präsentierte. Doch nun geben auch die Wolfsburger ihre Bescheidenheit auf: Mit einer
beispiellosen Marketingkampagne künden sie ab diesem Mittwoch von ihrem nächsten
Akkumobil, dem ID.

TV, Kinos und soziale Medien mit Werbung fluten

So will VW 50 Prozent der
Werbefläche Berlins belegen; Werbefilme werden TV, Kinos und natürlich soziale
Medien fluten. Mal soll speziell das neue Modell im Fokus stehen, mal die
Elektromobilität im Allgemeinen. Probleme mit der Reichweite und langwierige Ladezeiten – das seien doch eigentlich nur Vorurteile, soll die zentrale Botschaft lauten. Einen
mittleren zweistelligen Millionenbetrag lässt sich der Konzern die PR-Sause
kosten.

Dass es bis zur Serienproduktion
(nach derzeitiger Planung) noch über ein Jahr dauern wird, stört da nicht weiter.
Ein derart langer Vorlauf ist in der Autobranche sehr ungewöhnlich – in der
Regel sind die Hersteller auf Geheimhaltung erpicht; schließlich will man der
Konkurrenz keine vorzeitigen Einblicke gewähren und den Abverkauf des
Vorgängermodells nicht stören.

Letzteres Argument zieht in diesem Fall allerdings nicht und die Konkurrenz ist ja teilweise eh schon weiter. Genau hier
liegt der Grund für das PR-Trommelfeuer: Auch VW, so die Botschaft an
potenzielle Strom-Fans, kann Elektro, wartet noch ein bisschen und kauft noch
keinen Nissan Leaf oder Kia e-Soul. Darüber hinaus will sich VW mit aller Macht
als saubere Elektromarke präsentieren – und so das dreckige Image des
Dieselsünders korrigieren.

Das Gegacker macht Sinn

Das könnte man interpretieren als
Torschlusspanik eines Konzerns, der in Sachen Zukunftsprestige Konkurrenten
wie Renault-Nissan, Hyundai/Kia oder BMW entschwinden sieht. Doch für Experten
wie Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research der Universität
Duisburg-Essen macht das laute Gegackere durchaus Sinn. “Mit dem ID betritt VW
eine neue Welt, die mehr bei Elon Musk und weniger bei Rudolf Diesel liegt”, so
Dudenhöffer zu ZEIT ONLINE, “nach meiner Einschätzung ist es richtig, dies
deutlich zu sagen. Deutlich heißt bei tausenden von Markenbotschaften, die
Innovation entsprechend klar und damit lang mit den Autointeressierten zu
diskutieren. Nach meiner Einschätzung macht VW das gut.”

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