Der Thriller ist kein Genre aus Deutschland. Zum einen tut
sich das deutsche Kino seit Jahrzehnten mit Genrefilmen schwer, was in den vergangenen
Jahrzehnten zur Monokultur einer gar nicht so lustigen, zumeist um
Geschlechterfragen angeordneten Komödie geführt hat. Neben der bringt es
allenfalls der Historienfilm zu kommerzieller Relevanz, am ehesten in der Form kitschiger Schinken (Das Leben der
Anderen, Der Untergang). Zum anderen mangelt es dem deutschen Thriller an einer Idee
von Heldentum, die im amerikanischen Kino zu den Standardmythen des Erzählens
gehört. Diese Problemlage lässt sich aktuell an dem Protagonisten von Philipp Leinemanns Film Das Ende der Wahrheit studieren.
Ronald Zehrfeld arbeitet als Martin Behrens aus voller Leidenschaft beim Bundesnachrichtendienst. Er ist überzeugt: Ich tu was für die nationale Sicherheit. Zehrfeld spielt diesen BND-Agenten in
seiner attraktiven, aber leider auch vagen Teddybärhaftigkeit. Der wuchtige
Körper des Schauspielers ist zweifellos eine verführerische Projektionsfläche
für Vorstellungen gegenwärtiger Männlichkeit, für eine Produktion von Begehren,
von der das Kino lebt. Die unbestimmte Freundlichkeit, die von Zehrfelds
mimischen Möglichkeiten ausgeht, konterkariert allerdings diese körperliche Präsenz in Das Ende der Wahrheit. Es scheint fast so, als bewirke
die Zurückhaltung im Blick des Schauspielers ein darstellerisches Remis, ein
Verstecken, ja Entschuldigen für die Anwesenheit des eigenen Körpers im Bild.
Natürlich ist es billig, Zehrfeld vorzuhalten, dass er Verunsicherung
und Kühnheit beim Gucken nicht so schick ausbalancieren kann wie Robert Redford
in den Siebzigerjahren, als die Paranoia im Kino eine Hochphase erlebte. Aber genau
diese Mischung macht aus einem Schauspieler einen Thrillerhelden: jenen Außenseiter, der aus dem
System gefallen ist und versuchen muss, wieder hineinzugelangen.
Sinn für Kühle und Pathos
Martin Behrens scheint dagegen eher der Moderator der
Geschichte zu sein, die Das Ende der Wahrheit erzählt. Er stapft durch die Handlungen, die auf eine unheilvolle Verquickung von Politik und
Ökonomie, von staatlichem Handeln und privaten Geschäften hinauslaufen. Erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit seiner Arbeit kommen dem Agenten, als eine von ihm erpresste
Information umgehend als Zielangabe für einen Drohneneinsatz weitergegeben
wird, Unschuldige sterben und der Informant ungeschützt zurückbleibt.
Leinemann inszeniert diesen Moment mit Sinn für Kühle und
Pathos als Parallelmontage, in der verschiedene Leute auf der Welt an ihren
Computerarbeitsplätzen Platz nehmen, um zu töten, während Behrens auf der
Tonspur seiner Tochter zum Einschlafen ein Dr. Seuss-Gedicht vorliest
(“Traust du dich hinaus? / Traust du dich hinein?”).
Näher kommen die Einschläge für Behrens, als seine Freundin
Opfer eines Anschlags wird. Die Journalistin Aurice Köhler (Antje Traue) ist mit ihren nassforschen Fragen in der
BND-Pressekonferenz eine etwas mühsame, weil zu alarmierte Person für das
diskrete Setting der Geheimdienstwelt. Ihre Recherchen zum
staatlich-kommerziellen Komplex in der globalen Sicherheitspolitik dienen dazu,
Behrens den Weg durch die zweite Hälfte des Films zu weisen.
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