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Autosicherheit: Ab in die Werkstatt

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat im vergangenen Jahr rund 3,5 Millionen Rückrufe veranlasst – und damit zwei Millionen mehr als vor fünf Jahren.
Damit gab es 2018 mehr Rückrufe als Neuzulassungen in Deutschland,
das waren 3,4 Millionen Fahrzeuge. Die Zahlen stammen vom Verkehrsministerium
auf eine Anfrage der Grünen. Der Dieselskandal ist dabei nicht einmal mit einbezogen, er führte im vergangenen Jahr zu weiteren 300.000 Rückrufen. Zu diesen verpflichtenden Rückrufen
kommen noch die freiwilligen Softwareupdates der Hersteller für 6,3 Millionen
Dieselautos dazu. Haben Autos aus Deutschland also ein Qualitätsproblem? Dass die Anzahl der Rückrufe stark gestiegen ist, hat vor allem vier Gründe.

1. Die Hersteller werden aufgrund von Haftungsfragen
vorsichtiger, weil hohe Schadensersatzzahlungen drohen.

Deshalb rufen die Hersteller Autos
bei Mängeln eher zurück, als dass sie ein eventuell teures Risiko eingehen. Der
Dieselskandal hat dem VW-Konzern nach eigenen Angaben bislang 28 Milliarden Euro gekostet. Viel Geld davon ist in die USA
geflossen, denn dort sind die Abgasbestimmungen strenger als in Europa und die
Autobesitzer dort können sich Sammelklagen anschließen. In Deutschland fordern Hunderttausende vom Abgasskandal betroffene Dieselbesitzer Schadenersatz und
haben sich einer Musterfeststellungsklage gegen den VW-Konzern angeschlossen. Der Bundesgerichtshof muss nun urteilen, ob ihnen Schadenersatzansprüche zustehen. Damit drohen weitere Milliardenzahlungen. Auch gegen Audi,
Porsche und Daimler laufen Schadensersatzklagen.

2. Neue Modelle kommen schneller auf den Markt und sind teilweise nicht ausgereift.

Beim Jaguar i-Pace, dem ersten Elektroauto des
britischen Traditionskonzerns Jaguar Land Rover, wurde die Entwicklungszeit von
18 Monaten auf zwölf Wochen verringert. Das war möglich, weil die Ingenieurinnen und Ingenieure viel simuliert
und so reale Fahrtests reduziert haben. Sie verzichteten auch auf den Bau zahlreicher Prototypen und sparten dadurch Kosten. Das erzählte Mark White, der ehemalige Entwicklungsleiter des Automobilherstellers, dem Fachmagazin Konstruktionspraxis zufolge. Dass in der Entwicklung und bei Tests
immer mehr am Computer simuliert und weniger real getestet wird, ist seit
Jahren ein Trend in der Entwicklung von Produkten. Das geht schneller und ist
kostengünstiger, gefährdet aber die Qualität.

3. Der Kostendruck bei den Zulieferern ist enorm, weshalb sie
beim Material und Tests sparen.

Die Automobilhersteller brauchen Geld, um in neue Technologien wie
Elektromobilität und autonomes Fahren zu investieren. Das geben sie an die Zulieferer weiter. BMW hat laut einem Bericht der FAZ die 30 weltweit
führenden Zulieferer in einem Brief zur Kostensenkung aufgefordert. Bosch,
Continental und Co. sollen innerhalb eines Jahres ihre Einsparanstrengungen
verdoppeln. Wo gespart wird, leidet früher oder später die Qualität.

4. Gleiche Bauteile werden in verschiedenen Modellen
millionenfach verbaut.

Durch diese Mengeneffekte sparen Zulieferer und Autohersteller. Aber treten bei solcher Massenware Mängel auf, führt das zu
einem Dominoeffekt. So kommt es, dass mehrere Hersteller ihre Fahrzeuge wegen mangelhafter
Airbags des japanischen Zulieferers Takata zurückrufen mussten. Fast 50 Millionen
Autos wurden deshalb in den vergangenen vier Jahren zurückgerufen und die
Airbags ausgetauscht, darunter Fahrzeuge von Audi, BMW und Mercedes.

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