/Kevin Kühnert: Grüne gegen Enteignung von Autokonzernen

Kevin Kühnert: Grüne gegen Enteignung von Autokonzernen

Die Grünen lehnen eine Verstaatlichung oder Kollektivierung von
Autokonzernen ab – wie sie der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert in einem Interview mit der ZEIT vorgeschlagen hatte. “Wir möchten die “ökologisch-soziale Transformation
unserer Gesellschaft”, sagte dazu Fraktionschef Anton Hofreiter zum Auftakt einer Klausur der Bundestagsfraktion in Potsdam. “Die Teilstaatlichkeit oder auch
Staatlichkeit ist hier aber nicht die Antwort.”

Kühnert hatte indem ZEIT-Interview unter anderem gesagt, er trete für eine Kollektivierung großer Unternehmen “auf demokratischem Wege”
ein. Ohne Kollektivierung sei “eine Überwindung des Kapitalismus
nicht denkbar”, sagte der Vorsitzende der linken SPD-Jugendorganisation. Am Beispiel des Autoherstellers BMW hatte er ausgeführt:
“Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW
‘staatlicher Automobilbetrieb’ steht oder ‘genossenschaftlicher
Automobilbetrieb’ oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in
dieser Form nicht mehr braucht.” Entscheidend sei, dass die Verteilung
der Profite demokratisch kontrolliert werde. “Das schließt aus, dass es
einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebes gibt.”

Außerdem
will Kühnert den Besitz von Immobilien in Deutschland beschränken. Er
finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell sei, mit dem Wohnraum
anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so der Juso-Chef. “Konsequent zu Ende gedacht
sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.”
Noch besser seien seiner Meinung nach genossenschaftliche Lösungen, im
Optimalfall gebe es überhaupt keine privaten Vermietungen mehr.    

“Können wir bald noch über verschiedene Systeme reden?”

Der Europa-Spitzenkandidat der Grünen, Sven Giegold, warf Kühnert
vor, in seinen Sozialismusoptionen “irgendwo in den Achtzigerjahren
stecken geblieben” zu sein. Er halte die Debatte angesichts der
Klimaerwärmung nicht für entscheidend: “Es ist immer gut, über
Kapitalismus zu reden”, so Giegold. “Aber derzeit geht es darum, ob
wir in Zukunft unseren Kindern die Möglichkeit geben, überhaupt noch
über eine Zukunft verschiedener Wirtschaftssysteme auf diesem Planeten
reden zu können.” Entscheidend sei deswegen, darüber zu reden, “wie wir
diese Marktwirtschaft sozial-ökologisch bekommen”.

Ähnlich äußerte sich Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. “Die
Erfahrung und auch die Geschichte lehrt uns ja, dass die Frage der
Eigentumsform nicht wirklich hilft”, sagte sie. “Eine Kollektivierung oder Verstaatlichung der Autoindustrie löst keines der Probleme.” Was hingegen helfe, seien klare und
eindeutige Rahmenbedingungen. Das gelte auch in der Wohnungspolitik. In
diesem Bereich hatte Grünen-Chef Robert Habeck allerdings Enteignungen von Wohnungsunternehmen
für ein mögliches Instrument gegen zu hohe Mieten und Wohnungsnot ins Spiel gebracht.

Zuspruch von links, Genossen betont gelassen

Zuspruch bekam der Juso-Chef hingegen von der Linkspartei. Kühnert
habe nur “Selbstverständlichkeiten formuliert”, sagte deren
Vorsitzender Bernd Riexinger. “Die Grundversorgung der Menschen, also
zum Beispiel mit Wohnraum, Medizin und Bildung, darf nicht von
Profitinteressen abhängen.” Auch die Co-Chefin der Linken, Katja Kipping, nahm Kühnert in Schutz, wertete allerdings im SWR dessen Forderungen zum Wohnungsmarkt als “sehr weitgehend”.

Betont gelassen lesen sich die Kommentare aus der SPD zu den Auslassungen von Kühnert. “Er ist Juso-Vorsitzender”, sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl,
Katarina Barley, im Bielefelder Westfalen-Blatt. Und als solcher müsse er
ein Stück weit provozieren.
Parteivize Ralf Stegner machte sich in der Saarbrücker Zeitung Kühnerts Forderungen nicht zu eigen, bescheinigte ihm jedoch, Missstände wie Mietspekulation zutreffend zu beschreiben. “Die Debatte ist ein Sturm im Wasserglas”, sagte er zuvor auch der Deutschen Presse-Agentur. “Kühnert beschreibt skandalöse Missstände, die es gibt. Aber er stellt keine tagespolitischen Forderungen auf”, so Stegners Fazit.

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