Nach dem Aufstand einiger Soldaten gegen Venezuelas Präsident Nicolás Maduro haben sich Demonstranten und regierungstreue Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Caracas schwere Auseinandersetzungen geliefert. Vermummte Regierungsgegner griffen gepanzerte Militärfahrzeuge an. Demonstranten schleuderten Steine auf Nationalgardisten auf Motorrädern. Sicherheitskräfte feuerten Tränengaskartuschen in die Menge. Bilder des kolumbianischen Fernsehsenders RCN zeigen, wie ein Panzerwagen eine Gruppe von Demonstranten rammt. Protestierende sollen versucht haben, die Absperrungen der Sicherheitskräfte zu überwinden.
Die Ausschreitungen fanden vor der Luftwaffenbasis La Carlota statt, von der der venezolanische Oppositionsführer Juan Guaidó zuvor zu weiteren Demonstrationen aufgerufen hatte und im Machtkampf mit Maduro die
Unterstützung von einigen, vor allem jüngeren Soldaten erhalten hat. Es waren auch solche der Regierung abtrünnigen Soldaten, die den seit Jahren inhaftierten Oppositionsführer Leopoldo López aus dem Hausarrest befreiten.
Guaidó hält Rede vor Tausenden Anhängern
Flankiert von Soldaten und López hatte sich Guaidó in einer Videobotschaft an die Venezolaner gewandt und die Schlussphase seines Machtkampfes mit Maduro ausgerufen. Er zeigte sich überzeugt, dass er die Unterstützung des Militärs habe und sprach von “mutigen Soldaten, mutigen Patrioten, mutigen Männern, die die Verfassung unterstützen und unserem Aufruf gefolgt sind”. In einem weiteren Tweet appellierte er an die Streitkräfte, sich vollends auf seine Seite zu stellen: “Die Zukunft gehört uns: Volk und Streitkräfte vereint für die Beendigung der Usurpierung. Zusammen sind wir unbesiegbar!”
In den darauffolgenden Stunden fanden sich Hunderte Zivilisten vor La Carlota ein. Guaidó verließ den Platz aber, kurz nachdem eine Salve von Tränengaskartuschen in seine Richtung abgefeuert worden war. Später hielt er eine Rede auf dem Plaza Francia in Caracas. Vor Tausenden Menschen rief er die Venezolaner dazu auf, den Protest fortzusetzen. “Jahrelang haben wir mit den Streitkräften gesprochen – und heute wissen wir, dass sie nicht für den Diktator sind”, wiederholte er die zentrale Botschaft seines Videos, wonach das Militär inzwischen hinter ihm stehe.
“Kleiner und unbedeutender Widerstand”
Davon kann nach Aussage der Regierung aber keine Rede sein. Verteidigungsminister Vladimir Padrino López sagte, der “Putschversuch” sei abgewehrt worden. Die meisten aufständischen Kämpfer hätten sich von den Straßen zurückgezogen, sagte er in einer TV-Ansprache. Es habe sich um einen kleinen und unbedeutenden Widerstand gehandelt, der Rest von Venezuela sei ruhig. In allen Militärstützpunkten herrsche “Normalität”.
Informationsminister Jorge Rodríguez hatte von einer “kleinen Gruppe militärischer Verräter” gesprochen, deren Aufstand man niederschlagen werde. Der Vorsitzende der von Maduro zur Entmachtung des Parlaments eingesetzten verfassunggebenden Versammlung, Diosdado Cabello, rief die Regierungsanhänger auf, sich um den Präsidentenpalast in Caracas zu versammeln. “Wir werden sehen, was sie gegen unser Volk ausrichten können”, sagte er im Staatsfernsehen.
Maduro selbst twitterte später: “Nerven aus Stahl. Wir werden siegen.” Die Militärführung stehe hinter ihm, versicherte der 56-Jährige und rief “zur maximalen Mobilisierung des Volkes auf, um den Sieg des Friedens sicherzustellen”. Hunderte seiner Anhänger versammelten sich zu einer Kundgebung neben dem Präsidentenpalast Miraflores.
Derweil forderte Kolumbiens Außenminister Carlos Holmes Trujillo eine Dringlichkeitssitzung der sogenannten Lima-Gruppe. Dieser gehören 13 Länder aus Lateinamerika und der Karibik sowie Kanada an. Der kolumbianische Präsident Iván Duque rief das gesamte Militär des Nachbarlandes auf, Guaidó zu unterstützen. Sie sollten sich auf die “richtige Seite der Geschichte” stellen und die “Diktatur und Usurpation Maduros” zurückweisen, schrieb Duque bei Twitter.
Spanien warnt vor weiterer Eskalation
Die spanische Regierung, die als federführend für die Haltung der gesamten EU gilt, warnte vor einem “Blutvergießen”. Eine Regierungssprecherin in Madrid erneuerte die Forderung nach sofortigen Neuwahlen und machte klar: “Wir unterstützen einen demokratischen und friedlichen Prozess.”
Guaidó liefert sich seit Monaten einen Machtkampf mit Maduro – eine Auseinandersetzung, die das Land seitdem lähmt. Das ölreiche Venezuela leidet unter einer beispiellosen Wirtschaftskrise mit
dramatischen Versorgungsengpässen. Nach Angaben der Vereinten Nationen
braucht fast ein Viertel der 30 Millionen Venezolaner dringend Hilfe.
Einem UN-Bericht zufolge sind 3,7 Millionen Menschen unterernährt und
mindestens 22 Prozent der Kinder unter fünf Jahren chronisch
unterernährt.
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