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Transsexualität: “Zum Glück war meine Klasse cool”

Maik Jason Lücht ist ein Transmann aus Hamburg, steckt aber noch in einem weiblichen Körper. Er ist 22 Jahre alt und beginnt gerade mit der Hormontherapie, die seine Stimme tiefer machen und den Bartwuchs fördern wird. Das Coming-out einer Transperson in der Pubertät geht in der Regel mit noch mehr Ängsten einher als das von schwulen oder lesbischen Jugendlichen, zeigen Studien. Fast alle berichten von Diskriminierungen in der Schule und in der Öffentlichkeit. Hier erzählt Maik, wie sich seine Teenagerzeit für ihn anfühlte.

“Die Jungs haben gesagt, ich darf nicht mitspielen beim Fußball, weil ich ein Mädchen bin. Da war ich noch in der Grundschule, aber mir ist zum ersten Mal bewusst geworden: Das passt doch gar nicht, was die da sagen. Mit etwa 12 Jahren habe ich mich immer häufiger damit beschäftigt, ohne richtig benennen zu können, was los ist. Ich habe in dem Alter beschlossen, dass ich einen Rock anziehen will, obwohl ich nie Kleider getragen habe. Ich dachte wohl, wenn ich mich verhalte wie alle Mädchen, werde ich vielleicht diese seltsamen Gefühle los. Ich bin mit meinem Vater ins Einkaufscenter gegangen, um einen zu kaufen. Auf der Rolltreppe habe ich eine Panikattacke bekommen. Die Idee war einfach komplett falsch.

Transsexualität: "Ich war so erleichtert, weil ich endlich einen Namen für mich hatte. Aber ich hatte auch große Angst, was auf mich zukommt."

“Ich war so erleichtert, weil ich endlich einen Namen für mich hatte. Aber ich hatte auch große Angst, was auf mich zukommt.”
© Kathrin Spirk für ZEIT ONLINE

Mit 13 habe ich ein Video auf YouTube über Transpersonen gesehen. Es war auf Englisch und ich habe nur Bruchstücke verstanden – trotzdem wusste ich: Das ist es, das bin ich. Widersprüchliche Emotionen haben mich überschwemmt. Ich war so erleichtert, weil ich endlich einen Namen für mich hatte. Aber ich hatte auch große Angst, vor dem, was auf mich zukommt. Ich habe mich gefragt, was ich meiner Familie antue. Meine Mutter hatte immer gesagt: Sie wollte erst einen Jungen, dann ein Mädchen. Und so war es ja für sie auch gekommen. Erst mein Bruder, dann ich. Und nun sage ich: Ätsch, doch nicht?

Ich wollte es trotzdem sofort meinen Eltern erzählen – aber nicht einfach so am Abendbrottisch, denn meine Familie macht über alles Witze. Deshalb habe ich meiner Mutter einen Brief geschrieben und ihr hingelegt. Da stand nicht offensiv drin: Ich bin trans. Sondern eher so etwas wie: Ich würde gerne mit er angeredet werden und einen Jungennamen haben. Der Mädchenname fühlt sich nicht gut an. Sie hat erst einmal nachgefragt, was das genau bedeutet. Und dann hat sie einfach gesagt: “Dann schauen wir mal, wie wir dir helfen können.”

Zum Glück hat keiner in meiner Familie Witze gemacht. Es hat auch keiner gesagt: “Das ist nur so eine Phase.” Das oder Ähnliches bekommen viele Transjugendliche zu hören. Sogar meine Oma sagte einfach nur: “Das hätten wir eigentlich schon früher wissen können.”

Auch in der Schule bin ich bald offensiv damit umgegangen. Dort habe ich allerdings Scheußliches erlebt und manches Nervige. Einige Mädchen machten zum Beispiel ein Drama daraus, mit mir vor dem Sport in einer Mädchenumkleide zu sein, dabei wussten sie, dass ich schwul bin. 13 Mädchen haben sich in drei Klos gedrängelt, nur um sich nicht mit mir in einem Raum umzuziehen. Später habe ich dann die Lehrerumkleide bekommen.

Richtig schlimm war es, als ein paar Sechstklässler einen Wettbewerb veranstalteten: Wer trifft die Transe mit einem Stein am Kopf? Dreimal haben sie getroffen. Zum Glück war meine Klasse cool. Immer wenn ein Lehrer mich mit meinem alten weiblichen Namen angesprochen hat, haben alle gebrüllt: Maik! Maik! Maik!

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