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Katharina König-Preuss: Angst frisst alles auf

“Sie singen davon, wie sie dich töten.
Es trifft dich härter als jeder Stein.”

Es ist der 26. Oktober 2016, ein Mittwoch, als ein Freund Katharina König-Preuss anruft, spätabends, und sie fragt, ob sie sitze.

Es gebe da ein Lied, das sie kennen müsse.

Katharina König-Preuss holt ihren Laptop, setzt sich aufs Bett ihrer Wohnung in Jena, öffnet den Link, hört es sich an. Hört es noch einmal, raucht, sitzt, raucht und hört und sitzt. Und denkt, so erinnert sie sich heute: Wer macht so etwas?

Es ist ein Lied einer rechtsextremen Band, deren Name: “Erschießungskommando”. Der Text beschreibt in vier Minuten und zwölf Sekunden, wie man Katharina König-Preuss bedroht, quält und ermordet. “Ich bekomme öfter Drohungen und Hassmails, aber nach diesem Lied stand ich erst mal unter Schock”, sagt sie.

Katharina König-Preuss ist ein Feindbild der rechtsextremen Szene. Sie sitzt für die Linke im Thüringer Landtag, ist Sprecherin ihrer Partei für Antifaschismus, und sie war eine der führenden Aufklärerinnen der Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Thüringen.

Sie ist als Politikerin einerseits so radikal, dass manche sie für linksextrem halten. Andererseits ist sie so pragmatisch, dass sie eine Koalition ihrer Linken mit der CDU nach der diesjährigen Landtagswahl in Thüringen nicht ausschließen würde – wenn das verhindern würde, dass die AfD mitregiert. Sie gilt als verlässliche Stütze von Bodo Ramelows rot-rot-grüner Thüringer Landesregierung, die mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit auch von der Abgeordneten König-Preuss abhängig ist.

Wie passt das zusammen? Und wieso ist der Kampf gegen den Rechtsextremismus eine Lebensaufgabe für sie geworden?

Themar, im Juni vergangenen Jahres. Mehr als 2000 Neonazis sind für ein Rock-Festival in den kleinen thüringischen Ort gekommen, ein paar Hundert zum Gegenprotest. König-Preuss läuft über das Festivalgelände der Rechtsextremen, mit Polizeischutz, um sich als Abgeordnete einen Überblick zu verschaffen. Da stehen Neonazis aus der ganzen Republik, die sie erkennen, und einer ruft: “Ah, Frau König-Preuss!” Sie reagiert nicht. Sie erwidert auch nicht die Blicke. Sie sucht nur die T-Shirts nach verfassungsfeindlichen Symbolen ab. Will unbeeindruckt wirken. Als sie mit ihrem Handy Fotos macht, zittern ihre Hände. Ob sie in solchen Situationen Angst hat? “Nein”, sagt sie später. “Ich bin aber natürlich angespannt.” Erschreckend, ja, doch, das sei es, wie viele sie persönlich erkennen.

Warum geht sie dann immer wieder dorthin?

Den Kampf gegen Rechtsextreme, sagt König-Preuss, führe sie seit ihrer Jugend. Sie wurde 1978 geboren, in ihrem Elternhaus in Jena gingen zu DDR-Zeiten Oppositionelle ein und aus, es wurde wenig vorgeschrieben, viel diskutiert. Mit 13 Jahren, mitten in der Wendezeit, kam sie zur Antifa, mit 15 gründete sie die erste weibliche Antifa-Gruppe, schon vorher, mit 14, sei sie das erste Mal von einem Nazi verprügelt worden.

Die frühen Neunziger, das sei eben die Zeit gewesen, in der sich überall in Thüringen rechtsextreme Strukturen gebildet hätten. “Man musste sich entscheiden”, sagt sie. “Schließe ich mich den Nazis an? Oder setze ich ihnen etwas entgegen?”

Den Hang zum Aktivismus – sie hat ihn auch von ihrem Vater übernommen, den schon zu Wendezeiten jeder in Jena kannte: Lothar König. Er ist Pfarrer der Jungen Gemeinde in Jena, ein ständiger Gast auf Antifa-Demos, auch er ist eine Hassfigur der Rechtsextremen. Ihr Vater ist aufbrausend, Typ bärtiger Straßenkämpfer. Vielleicht hat sie das Pragmatismus gelehrt: Wenn ihr Vater wütend wird, schreit, sich aufregt, dann lässt sie ihn schreien, wartet, bis er fertig ist, und redet dann weiter in der Sache. Ihr Vater sagt: Wenn man sich zu lange mit einem negativen Thema beschäftige, dann sickere das wie Gift in einen hinein, immer in kleinen Mengen. Bei seiner Tochter sei das Gift der NSU. “Irgendwann macht es dich krank.” Katharina König-Preuss sagt dann auch, tatsächlich: “Die Vorstellung macht mich krank, dass der NSU jahrelang unentdeckt morden konnte. Es ist immer noch zu viel unaufgeklärt. Wir dürfen als Gesellschaft keinen Schlussstrich ziehen, dafür fühle ich mich mitverantwortlich.”

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