Niemand außer den Machern von “Game of Thrones” weiß wirklich, wie es weitergeht in der derzeit laufenden achten und finalen Staffel der Serie. Doch die zuletzt ausgestrahlte zweite Folge der Staffel, “Ein Ritter der Sieben Königslande”, versammelt einen Großteil der Hauptfiguren in der Burg Winterfell, wo sich die Truppen der Lebenden auf die Schlacht gegen die heranrückende Meute der Untoten vorbereitet.
Mit an tödlicher Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird also in der kommenden dritten Folge, die in Deutschland in der Nacht vom 29. auf den 30. April vom Pay-TV-Sender Sky gesendet wird, das große Sterben beginnen. Diejenigen unter den Figuren, die uns in den sieben Staffeln “Game of Thrones” zuvor besonders ans Herz gewachsen sind (oder uns auch bloß irre genervt haben), verdienen deshalb einige Worte zum Geleit. Mögen sie nicht als Untote enden – so sie nicht schon welche sind.
Jamie Lannister, Ritter aus verlorener Ehre
Sie nannten ihn den Königsmörder, dabei war er doch nur ein Ritter aus
verlorener Ehre: der schöne Jamie Lannister, den seine Treuherzigkeit
von einem Unglück ins nächste stürzte. Es war nicht die Politik, die
sein Tun bestimmte, sondern die Liebe zu seinen Nächsten. Gewiss, seiner
Schwester Cersei kam er allzu nah: Drei Kinder, die ihre inzestuösen
Eltern alle nicht überlebten, waren die Strafe für diese toxische
Verbindung (und das vierte ist dem Vernehmen nach auf dem Weg). Für Cersei verzichtete er auf den Thron, für seinen Bruder
Tyrion warf er sich immer wieder in die Schlacht. Die Familie, und sei
sie auch noch so zerrüttet, war ihm das Wichtigste. In ihrem Namen ließ Jamie sich erniedrigen, führte Kriege und verlor seine rechte
Hand.
Dass er, dessen vermeintlich einzige Stärke im Schwertkampf
gelegen hatte, darüber nicht den Lebensmut verlor, zeigt doch seine
wahren Qualitäten. Mit links wurde er ein neuer Mann. Noch dazu einer,
der zuletzt die erste Frau in der bekannten Welt zur Ritterin schlug, Brienne von Tarth. Er vergaß
all die Eide, die er einst geschworen hatte, und folgte seinem Gewissen.
Und ist es nicht genau das, wonach es zu streben gilt?
(Rabea Weihser)
Jon Snow, Held im Pelz
Schweigsame Helden entwickeln eigentlich nur im Western und im Road
Movie größeren Charme. Das liegt an der schönen Weite der Landschaft, in die sie
gestellt werden und die ihnen die Worte raubt. Jon Snow war nun aber
ein schweigsamer Held in einer Fantasyfernsehreihe. Und die totale Öde des
Nordens verschlug ihm nicht so sehr die Sprache, sie passte einfach sehr gut zu
seinem Charakter. Dieser Mann also ward einst am falschen Ort in der
falschen Zeit im falschen Film geboren, und wie sich zeigen sollte, gab es da auch noch
erhebliche Verwirrung mit den Eltern. Jon, den anfangs alle Welt für
einen sogenannten Bastard hielt, wurde dementsprechend von seinen
vermeintlichen Halbgeschwistern auch nicht für voll genommen. So
entschloss er sich, sein Leben zölibatär der Verteidigung des Nordens zu
widmen und auf der Mauer auf der Lauer dem Eintreffen der Untoten zu
harren – für andere ein zäher Zeitvertreib, dieses Starren ins Nichts, Jons phlegmatischer Natur aber wäre das Nichts entgegen gekommen.
Den ersten Tod, der ihn dann überraschend ereilte,
nahm er gelassen hin. Doch, ach, er ward wiedergeboren, die
Pflicht rief ihn zur Anführerschaft, und die Liebe verwirrte ihn gar sehr, als
sie in sein Leben trat – noch viel mehr, als seine
Verwandtschaftsverhältnisse es je vermocht hätten. Jon aber ertrug
alles so stoisch wie ein bekiffter Labrador: Er starrte aus seinem
ewigen Pelz heraus, wie nur ein unfreiwilliger Held dazu in der Lage
ist. Charme, das wusste Jon wohl, würde er nie haben. Aber schweigen,
das konnte er wie kein Zweiter.
(Dirk Peitz)
Tyrion Lannister, König des Bonmots
Der kleinwüchsige und jüngste Nachkomme des Hauses Lannister hatte schon
immer ein klares Bild von seinem Tod vor Augen. Er hat sich ausgemalt,
als alter Mann im Bett zu sterben, “mit 80 Jahren, mit meinem Bauch voller
Wein und meinem Schwanz im Mund einer Jungfrau”. Die Zuschauer
haben ihn das bereits in der ersten Staffel der Serie sagen
hören, also im Jahr 2011. Es blieb Tyrions Lebensmotto. Deshalb konnte sein Bruder Jaime die Worte laut
mitsprechen, als sie der Zwerg vergangene Woche in der zweiten Folge der
achten Staffel erneut gelassen aussprach. (Tyrion war da klar geworden, dass sein
Ende höchstwahrscheinlich viel früher als mit 80 Jahren kommen wird und unter widrigeren Umständen, als er sich das so erträumt.)
Tyrion, der König der Bonmots (“Das ist es, was ich tue: Ich
trinke und ich weiß Dinge”), dessen Mutter bei seiner Geburt starb und
der seinem Vater auf dem Lokus einen Armbrustbolzen in den Leib gejagt
hat (“Ich bin dein Sohn. Ich war immer dein Sohn”) – er hatte in dieser
Geschichte stets das größte Herz, verpanzert in seinem kleinen Körper
hinter einem Harnisch aus Zynismus. Nur für wenige Frauen hat er diesen
Panzer geöffnet: für die Prostituierte Shae, für seine Königin der Drachen:
Daenerys. Und für seine Schwester Cersei. Ausgerechnet Letztere hat nun alles dafür
arrangiert, dass – sollte Tyrion das kommende Gemetzel tatsächlich
überleben – ihn bald noch eine andere Todesursache pfeilschnell dahinraffen könnte. Tyrion scheint so
etwas geahnt zu haben. Als er zuletzt sein 80-Jahre-Wein-und-Weib-Szenario zum Besten gab, da schien er glücklich, in diesem Moment in
Gesellschaft seines Bruders zu sein und nicht einer Frau.
(Marin Majica)
Daenerys Targaryen, die von Macht Ergriffene
Daenerys Stormborn, Erste ihres Names, Brecherin der Ketten, Mutter der
Drachen und nebenbei noch Königin der Herzen. Zumindest bis April 2019 war sie das.
Denn die Drehbuchschreiber von Game of Thrones schienen in den ersten zwei Folgen dieser Staffel
erpicht, Daenerys möglichst effektiv ins Unrecht zu setzen. Schon beim Einritt in
die alte Stark-Burg Winterfell wirkte sie selbstzufrieden, wie eine Invasorin. Dass sie
nicht Freundschaft, sondern eben auch Unterwerfung wünscht, das was nach
allem, was wir über sie wissen, nachvollziehbar. Dass sie dann aber,
als Jon ihr am Vorabend der Schlacht erklärte, dass die beiden Liebenden dummerweise verwandt sind, in
ihrer Reaktion einzig auf den Eisernen Thron schielte: Das war nur noch kalt und unfair.
Fehler hat Daenerys viele gemacht in den vergangenen
Jahren, aber diesen gerade nicht: sich von Machthunger überwältigen zu lassen. Sie, die mehrfach den Eisernen Thron hätte
an sich reißen können und das nicht getan hat; sie, die seit sieben
Staffeln die verschiedensten Jünger um sich scharte, eben weil sie anders war als die anderen Möchtegern-Thronanwärter – sie wurde plötzlich zu einer Kontrahentin unter
vielen, der ihr Anspruch wichtiger ist als ihre Vision.
Sollte Daenerys nicht überleben, wäre das der
geringste Verrat an ihr als Figur.
(Adrian Daub)
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