/Die Grünen: Böse Plakate

Die Grünen: Böse Plakate

Sie hatte nicht geplant, zu einer Nachricht zu werden. Schon gar nicht zu
einer, die Menschen im Rest des Landes lesen. Susanne Haak, 53, tat nur, was ihr logisch
erschien. Es geschah vor einigen Monaten auf einer Sitzung der Grünen in Kusel, einem
Landkreis mit etwa 70.000 Einwohnern in Rheinland-Pfalz. Susanne Haak ist dort seit einem Jahr
Vorsitzende ihrer Partei. Und sie ist überzeugt: Wenn man als Politikerin für den Umweltschutz
in Deutschland kämpft, sollte man selbst alles dafür tun, Müll zu vermeiden. Das machte sie
auf der Sitzung auch ihren Parteikollegen klar. Haak überzeugte ihren Kreisverband, die
Wahlplakate abzuschaffen. Ausgerechnet vor der Kommunal- und der Europa-Wahl im Mai, und das
sogar, obwohl Haak zum ersten Mal in ihrem Leben selbst als Kandidatin mit ihrem Foto auf ein
Plakat gedruckt werden sollte.

Während in diesen Wochen überall in Deutschland Wahlhelfer Plakate an Pfeiler schnüren,
sorgte Haak dafür, dass in Kusel kein einziges der Grünen hängt. “Wenn wir schon unser
Baumwollnetz in jeden Supermarkt schleppen, können wir doch nicht Papier und Plastik
verschwenden, um an Stimmen zu kommen”, sagt sie.

Was für Haak logisch ist, sehen die Grünen in der Berliner Parteizentrale ganz anders. Dort
reagierte man nicht gerade begeistert und ließ vergangene Woche wissen, dass die übrigen
Grünen keinesfalls die Wahlplakate abschaffen werden.

Susanne Haaks Idee wurde auch deshalb zu einer Nachricht, weil es dabei um mehr geht als um
Müll. Sie erzählt etwas über das Verhältnis zwischen dem politischen Berlin und dem Rest des
Landes, zwischen einer Theorie und ihrer praktischen Umsetzung. Um die Frage, wie grün man
sein muss, wenn man grün sein will.

Es ist Gründonnerstag, als Haak am Telefon von ihrer Idee erzählt. Sie lacht in den Hörer, so
überrascht ist sie von dem Wirbel, den sie verursacht hat. “Wir wollen ja bloß die
Materialschlacht vermeiden”, sagt sie. “Es ist doch so: Alle hängen Plakate auf, es gibt einen
Haufen Müll, und wenn du dich mit den Leuten unterhältst, sagt auch noch jeder, das sieht
kacke aus.”

Haak spricht aus, was sie fühlt. Aber sie macht sich auch viele Gedanken. Statt auf
Wahlplakaten wollen die Grünen in Kusel ihre Botschaften jetzt mit Social Media verbreiten und
über zwei elektronische Werbetafeln, die in der Stadt stehen. Und persönlich: “Am wichtigsten
ist es, mit den Menschen zu reden”, sagt Haak. Am Wahlstand in Kusel etwa. Andere aus ihrer
Partei klingeln an Haustüren. “Ich glaube, diesen Oldschool-Wahlkampf mit Plakaten wird es in
ein paar Jahren eh nicht mehr geben”, sagt sie. “Warum soll man nicht schon jetzt was Neues
probieren?”

Es ist kein Zufall, dass die Idee von Haak kommt, denn sie sticht auch sonst aus ihrer Partei
heraus. “Ich passe nicht in das Vorurteil der Grünen”, sagt sie. “Man sagt doch, wir seien
alles nur Akademiker.” Haak ist Krankenschwester auf der Intensivstation und war lange
alleinerziehend. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass sie Dinge einfach anpackt, wenn sie
es für richtig hält.

Hits: 55