Ich höre Männern gerne zu. Vor allem dann, wenn sie in gedimmtem Licht in
Bars sitzen, mit einer Frau wie mir am Nachbartisch, die ein hübsches Gesicht hat und
insgesamt ziemlich harmlos aussieht, gar nicht so, wie man sich eine Emanze vorstellt, mit
Baseball-Schädel und Vulva-Shirt. Weil sie dann “unter sich” Dinge sagen, die sie im Büro, in
der Kantine oder auf ihrem Twitter-Account nicht sagen würden.
Die Männer sitzen da mit gelockertem Hemdkragen und glitzernden Manschettenknöpfen und sind heute Abend total entrüstet. Thema des feierabendlichen Entsetzens sind Feministinnen. Dieser grassierende Männerhass und die sprachliche Gewalt, die einem mittlerweile von diesem Feminismus entgegenschlügen, seien ja besorgniserregend. “Unverschämt” sei das, “Hetze”, sagt einer. “Ja, genau”, sagt ein anderer, “und völlig übertrieben noch dazu.”
Diesen Feminismus, der für die Männer hier ganz offensichtlich den Charakter einer geschlossenen, kreischend mit Eierstockzeptern um sich schlagenden Bewegung hat, den verstehen sie irgendwie nicht. Also ja, Gleichberechtigung sei schon echt wichtig, aber die Zeiten hätten sich doch geändert, und jetzt hätten wir ja sogar eine Kanzlerin, also wieso meinen die Frauen, so ungeniert rumkrakeelen zu müssen, überhaupt, wieso sind die so wütend und reden von “Pimmelsuppen” und “Schwanzparaden”, ja sogar vom “Kastrieren”, sapperlot, eine Schweinerei! Männer würden heutzutage immer auf ihr Geschlechtsteil reduziert werden, so, wie eben seit Hunderten von Jahren Frauen auf ihre Geschlechtsteile und ihre Fähigkeit, Bier zu holen, reduziert worden seien, und das sei jetzt ja nicht gerade besonders fortschrittlich, und außerdem würde man sich selbst doch so viel Mühe geben, alles richtig zu sagen, seit man das mit der Political Correctness mitbekommen habe. Und dann, da in dieser Bar, zwischen den Herrengedecken, sagt einer: “Denen gehört einmal ordentlich der Arsch gepudert, dann entspannen die sich vielleicht endlich mal”, und dann haut sich einer auf die Schenkel, und dann gibt es noch mehr Schnaps.
Sprache kann gewalttätig sein. Jaja, das haben wir alle schon gehört und verstanden, dass die ganze Debatte um die Sternchen und die Unterstriche irgendwas damit zu tun hat. Und dass man nicht mehr Mohrenkopf sagen und das N-Wort benutzen soll, haben die meisten irgendwie gerafft, auch wenn man, schaut man sich so um, das Gefühl bekommen könnte, dass das Ganze im Zuge einer umgreifenden Tellkampisierung des öffentlichen Diskurses statt in Verständnis und Wohlwollen viel eher in grassierende Unsicherheit und in den Eindruck mündete, man würde von allen Seiten mundtot gemacht. Davon sind nicht nur die Männer hier in dieser Bar überzeugt, sondern auch Menschen, die sich ihr Leben lang mit Sprache beschäftigt haben, wie die Schriftstellerin Eva Menasse, die ihre Eröffnungsrede beim letzten Internationalen Literaturfestival Berlin dazu nutzte, auf der Bühne siebenmal, wenn auch in Form eines Zitats, mit sichtbarem Genuss das N-Wort auszusprechen, um zu zeigen, dass es in manchen Kontexten nämlich doch total okay sei, das zu tun.
Liebe Damen und Herren, liebe Frau Menasse. Wir sind sprachliche Wesen, die in den Namen und Bezeichnungen, die wir uns geben und die uns gegeben werden, existieren, ja sogar unsere Identität und unser Subjekt-Sein über Sprache konstituieren.
Spätestens seit den Fünfzigerjahren, mit den Sprechakt-Theorien Austins und Searles, die analysierten, inwiefern sprachliche Äußerungen nicht nur die Welt beschreiben, sondern zugleich selbst Akte sind, sollte klar geworden sein, dass Sprache Handlungsmacht hat. Wenn ich zum Beispiel als weiße Frau auf einer Bühne stehe und soundsoviel Mal das N-Wort ausspreche, dann ist das ein illokutionärer Sprechakt, der nicht nur bestimmte Effekte nach sich zieht, sondern im Moment des Aussprechens selbst eine Tat, ja Gewalt ist, weil sie all die Fiktionen wachruft, die Mord und Ausbeutung schwarzer Menschen jahrhundertelang legitimierte. Wenn Frau Menasse also laut das N-Wort ausspricht, dann übt sie damit Gewalt aus. Wenn eine Frau einen homosexuellen Mann “Schwuchtel” nennt, dann übt sie damit Gewalt aus. Und wenn ein Mann eine Frau “Fotze” nennt, dann übt er damit Gewalt aus. Ende, aus, Eierbrei.
Zunächst einmal: Ja, es ist wahr. Von Valerie Solanas über Kathy Acker bis Zadie Smith, Laurie Penny, Stefanie Sargnagel, Margarete Stokowski bis zu meinem eigenen Sprechen und Schreiben fährt der feministische Diskurs so einiges an martialischem Vokabular auf. Da geht es um “Paraden rumpfloser Schwänze” (Penny) und Marsianer mit “kleinen grünen Pimmelchen” (Stokowski), und ab und zu fällt auch ein Satz wie “Der Feminismus wird dir noch die Eier abreißen, Opa” (Sargnagel). Aber warum in Herrgottsnamen schimpfen wir denn so?
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