Wie
gefährlich Glyphosat für die Gesundheit ist, hängt von der Betrachtung ab. Die
Internationale Agentur für Krebsforschung IARC bezeichnete das chemische
Mittel, das Unkraut vernichten soll, als “wahrscheinlich krebserregend”. Dabei ging es um die chemische Zusammensetzung von Glyphosat. Das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlichte wiederum eine
Abhandlung, in der es zu dem Schluss kam, dass Glyphosat nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis nicht krebserzeugend
sei.
Das sind nur zwei
Einschätzungen zu dem Thema, sie verdeutlichen aber gut die unterschiedlichen Positionen. Kritikerinnen und Kritiker
werfen der Bundesanstalt jedoch vor, dass sie große Teile ihrer Bewertung direkt
von den Zulassungsanträgen der Hersteller übernommen habe. Das heißt nicht, dass die eigentliche Einschätzung unseriös sein muss.
Arne Semsrott, Projektleiter der Transparenzplattform FragDenStaat, fragte eine Stellungnahme des Instituts zu den
Ergebnissen der IARC dazu an. Er bezog sich dabei auf das Informationsfreiheitsgesetz.
Mit solchen Anfragen kann jeder Bürger und jede Bürgerin amtliche Dokumente einsehen, egal ob frühere
Abituraufgaben oder Lobbypapiere zu Gesetzgebungsverfahren. Das soll dazu
dienen, Transparenz über staatliches Handeln herzustellen. Semsrott wollte das
Papier aber nicht nur für sich, er wollte, dass sich auch die Öffentlichkeit
eine Meinung bilden kann. Ende 2018 stellte er es daher auf der Plattform FragDenStaat
online. Das Portal hilft Menschen, Zugang zu öffentlichen Informationen zu bekommen.
Staatliche Geheimniskrämerei
Doch das wollte das BfR nicht. Drei
Wochen nach der Veröffentlichung erhielt Semsrott eine Abmahnung: Das Dokument solle gelöscht werden,
forderte das Institut. Der Aktivist wehrte sich, aber bisher erfolglos: Das Landgericht Köln
untersagte die Veröffentlichung kürzlich per einstweiliger Verfügung. Entferne Semsrott
das Dokument nicht, drohe ihm ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder bis zu
sechs Monate Ordnungshaft. FragDenStaat entschied sich, das Papier zu löschen.
Bemerkenswert daran ist, mit welcher Argumentation das Bundesinstitut die Veröffentlichung beanstandete. Denn es begründete die Löschung vor Gericht nicht etwa mit
der Vertraulichkeit des Papiers, wie man ja denken könnte. Nein, die Anstalt
argumentierte, dass durch die Veröffentlichung des Dokuments ihre Urheberrechte
verletzt würden. Dieser Begründung folgten auch das Kölner Landgericht in seiner einstweiligen Verfügung. Dahinter
steckt eine zentrale Frage, die den Kern der Demokratie betrifft: Versucht hier eine staatliche Institution, Berichterstattung mit dem Verweis auf das Urheberrecht zu verhindern?
Nun
muss der Staat natürlich nicht jedes Dokument auf Anfrage herausgeben oder
veröffentlichen. “Staatliche Dokumente können geheimhaltungsbedürftig
sein, wenn die Vertraulichkeit das Veröffentlichungsinteresse überwiegt”,
sagt Raphael Thomas, der Anwalt von Semsrott. Das gilt beispielsweise für
Geheimdienstdokumente. In dem Fall von FragDenStaat greift dieses Argument allerdings
nicht, sonst hätte das BfR der ursprünglichen Auskunftsanfrage von Semsrott gar
nicht erst nachkommen müssen.
Der
Aktivist hält das Vorgehen der Bundesanstalt daher für zweifelhaft. “Das
Urheberrecht darf nicht missbraucht werden, um Berichterstattung zu
unterdrücken”, sagte er ZEIT ONLINE. Gewinne das BfR die rechtliche
Auseinandersetzung, könne das nicht nur seine Arbeit einschränken,
sondern auch
andere Plattformen wie Wikipedia, auf denen staatliche Dokumente
hochgeladen
werden. “Es würde eine grundsätzliche Unsicherheit mit sich bringen,
auch wenn
Journalisten Dokumente veröffentlichen”, sagt Semsrott. Er fürchtet
auch, dass dann Behörden in Zukunft “viel öfter das Urheberrecht gegen
unerwünschte Berichterstattung einsetzen” könnten.
Das BfR weist
den Vorwurf, Berichterstattung verhindern zu wollen, zurück. “Sämtliche
fachlichen Schlussfolgerungen sind seit Herbst 2015 für die
Öffentlichkeit frei zugänglich”, heißt es auf Nachfrage. In einer
öffentlichen Stellungnahme
erklärte das Institut, dass es das sogenannte Addendum 1, das auch
FragDenStaat veröffentlichte, zunächst zwar nicht online stellte, dann
aber doch frei zugänglich gemacht habe. Dass sich das Institut in dem
Fall von FragDenStaat auf das Urheberrecht beziehe, sei “unabhängig von
der wissenschaftlichen Bewertung und den wissenschaftlichen Inhalten”.
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