Ende Februar, zwei Wochen nach einem Selbstmordattentat im indischen Kashmir, bei dem 40 Sicherheitskräfte getötet wurden, veröffentlicht der
Facebook-Nutzer Avi Dandiya auf der Plattform ein Livevideo. Zu hören ist die
Aufnahme eines Gesprächs, angeblich zwischen dem indischen Premier Narendra
Modi, seinem Innenminister und einer nicht identifizierten Frau. Die drei Stimmen sprechen darüber, wie sie im Vorfeld der kommenden Parlamentswahlen nationalistische Gefühle schüren können. Modi sagt in dem Gespräch: “Wir sind uns einig, dass wir für die Wahlen einen Krieg brauchen.”
Es dauerte keine 24 Stunden, bis klar war: Die Aufnahme ist
ein Fake, ein manipulierter Zusammenschnitt aus alten Interviews. Doch bis die
Social-Media-Plattform das Video löschte, hatten es mehr als 2,5 Millionen
Menschen gesehen und mehr als 150.000 geteilt. Bis heute kursieren leicht
veränderte Videos auf Facebook, WhatsApp, Twitter. Der Fall steht exemplarisch für zwei der größten Themen, die
Indien während der Parlamentswahlen beschäftigt: Der Konflikt mit dem
benachbarten Pakistan, der für einen gehörigen Schub Patriotismus im Land sorgte – und Fake-News.
Indien hat die meisten WhatsApp-Nutzer der Welt
900 Millionen Menschen können in den kommenden Wochen ihre
Stimme für eine neue Regierung abgeben. Wegen des Organisationsaufwands hält
Indien die Wahlen in fünf Phasen ab, zwischen dem 11. April und 23. Mai. Es ist
die größte demokratische Wahl der Welt und der bisher größte Test für Social-Media-Anbieter wie Facebook im Kampf gegen Falschnachrichten.
Die Aufgabe ist riesig. In Indien leben 1,3 Milliarden
Menschen und die meisten Facebook- und WhatsApp-Nutzer der Welt. Die
Plattformen sind zu wichtigen Kanälen im politischen Wahlkampf geworden – und zu den am schwersten zu kontrollierenden. Das nutzen Parteien und Anhänger im
großen Stil aus.
“Rahul Gandhi arbeitet mit den Terroristen aus Pakistan
zusammen”, sagt Om Prakash, während er mit dem Zeigefinger über sein
Smartphone-Display wischt. Er sucht das Video, mit dem er diese Information
beweisen kann, jemand hat es ihm über WhatsApp geschickt.
Prakash ist Mitglied mehrerer Dutzend WhatsApp-Gruppen. Eine
Handvoll dreht sich nur um die anstehenden Parlamentswahlen, sagt er und zeigt
die geöffnete Messaging-App, in der kleine Nummernsymbole an ungelesene
Nachrichten in mehreren Gruppen erinnern. Freunde und Bekannte hätten ihn
hinzugefügt.
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