/Monika Rinck: Alle Türen auf, Putzi!

Monika Rinck: Alle Türen auf, Putzi!

Das
neueste literarische Wappentier der Dichterin Monika Rinck hört auf den Namen
Barkouf. Es ist ein Straßenköter aus einer Operette von Jacques Offenbach, ein
allseits beliebter Hund, der es zum Gouverneur einer Stadt bringt und sich in
das Herz des Volkes bellt. Solche grotesk-übermütigen und karnevalesken Motive,
assoziativ kombiniert mit der ihr attestierten “Seiltänzerkühnheit”, sind der
Stoff, aus dem die Gedichte und Essays der gedankenschnellsten deutschen Poetin
gemacht sind.  

Der Literaturwissenschaftler Christian Metz hat Monika Rinck
kürzlich in einer enthusiasmierten Studie zur “Monarchin” einer neuen
“Lyrikaristokratie” nobilitiert. Zwar dienen solche Labels primär der Legendenbildung,
aber in diesem Fall lässt sich verifizieren, dass Monika Rinck längst eine
Ausnahmedichterin von großem Einfluss geworden ist, deren Strahlkraft weit über
den kleinen Kosmos der Lyrikcommunity hinausreicht. So ist es auch kein
Zufall, dass sie kürzlich das Frankfurter Projekt Fokus Lyrik kuratierte, den
seit Jahrzehnten größten Lyrikkongress in Deutschland.

Die
Dichterin zelebriert die Reflexionseleganz und Heiterkeit ihres Denkens
anlässlich ihres fünfzigsten Geburtstags in diesem Frühjahr gleich in zwei
neuen Büchern. Der Köter Barkouf hat einen zentralen Auftritt im neuen
Gedichtband Alle Türen, der ansonsten im Zeichen einer poetischen “Galoppade”
und einer großen Lobpreisung der Operette steht. Neben Barkouf trifft man noch
auf weitere Tiere im Rinckschen Universum: Kängurus, Tapire, Kaninchen und vor
allem Pferde besiedeln ihre poetische Arche Noah. Neben dem Gedichtband bei kookbooks ist im S. Fischer Verlag das opulente Lesebuch Champagner für die
Pferde
erschienen, das in einer subtilen Auswahl und Rekombination von
Gedichten, Essays, Partituren und Zeichnungen aus zwanzig Jahren die enorme
Beweglichkeit ihres Denkens vorführt. 

“Mein beruflicher Pferdegang”

Denn Monika Rinck ist nicht nur Dichterin
und Essayistin, die ihre Anregungen vornehmlich aus den Texten französischer
Philosophen bezieht, zum Beispiel aus den Schriften des im Lesebuch häufig zitierten
Sprachwissenschaftler Émile Benveniste, sondern eben auch Komponistin und
Zeichnerin. Die Grenzüberschreitung zwischen den Gattungen und Disziplinen ist
dabei Programm.

Als Literaturwissenschaftlerin erkundete sie Ende der Neunzigerjahre die Mystik des spätmittelalterlichen Philosophen Meister Eckhart,
als Philosophin entwarf sie eine blitzgescheite Theorie der Liebe (Ah, das
Love-Ding
, 2006) und richtete ein “Begriffsstudio” im Internet ein. Als Dichterin schrieb sie assoziationsreiche wie begriffswütige Honigprotokolle, als Zeichnerin hat sie ihren Band Helle Verwirrung.
Rincks Ding- und Tierleben
illustriert. Als Übersetzerin startete sie
das ungewöhnliche Experiment, den Band Homullus absconditus des schwedischen
Dichters Magnus William-Olsson unter Hypnose ins Deutsche zu übertragen. Und
zuletzt sang sie auch noch mit dem exzentrischen Dichter, Übersetzer und Tenor
Christian Filips Lieder für die letzte Runde und initiierte anlässlich der
Verleihung des bedeutenden Kleist-Preises im Herbst 2015 mit dem Publikum einen
veritablen Kanon.

“Was ist schöner als
der Mensch?”, heißt nun eine Grundfrage in ihrem Lesebuch, und die Antwort fällt
eindeutig aus: “Ich sage: Pferde.” Bereits in ihrem ersten Gedichtbuch Verzückte Distanzen kokettierte Rinck mit ihrer Affinität zum “cowboyhandwerk”: “Ich bin wie
ein Cowboy so sensibel. kann mich / in die pferde denken, in die rinder, in den
rand.”

Das poetische Spiel mit dem Pegasus, dem Flügelpferd der antiken
Mythologie und Sinnbild der Dichtkunst, wird nun gedankenreich variiert. Eine
der schönsten Eintragungen in ihr Begriffsstudio, das ein riesiges
Materiallager für ihre Gedichte ist, handelt denn auch von ihrer Passion für
Pferde: “mein beruflicher Pferdegang”.

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