/Dirk Nowitzki: “Langsam sickert die Leere durch”

Dirk Nowitzki: “Langsam sickert die Leere durch”

DIE ZEIT:
Herr Nowitzki, Sie haben am vergangenen Dienstag das Ende Ihrer langen Karriere verkündet.
Unter Tränen sagten Sie in ein Mikrofon: “Ihr habt das ja wahrscheinlich erwartet: Das war
mein letztes Heimspiel.” Während Sie sprachen, sangen die Fans in der ausverkauften Arena
mit Nowitzki-Maske verkleidet:
“Thank you,
Dirk”, nachdem die Menschen tagsüber vor
dem Stadion noch
“One more year!”
gerufen hatten. Wie schwer fällt es Ihnen zu
gehen?

Dirk Nowitzki:
Das war auch für mich wahnsinnig emotional, schon fast zu viel. Das irgendwie alles
aufzusaugen war für mich schwer an dem Abend. Es ist so viel auf mich eingestürzt. Einfach
ein bisschen zu viel. Dieses Gefühl, so viele Menschen zu berühren, das ist immer noch
schwierig für mich. Im Endeffekt bin ich Basketballer. Die letzten paar Tage habe ich ein
bisschen nachgeschaut, mir Videos angeguckt, da sah ich Frauen, die wegen meines Rücktritts
geweint haben. Das ist schon Wahnsinn. Natürlich macht mich das auch stolz, dass ich Leute
bewegt habe. Es läuft mir jetzt noch die Gänsehaut über den Rücken.

ZEIT:
Hatten Sie sich überlegt, was Sie sagen werden, oder kam das einfach so aus Ihnen
heraus?

Nowitzki:
Dass ich da ansagen würde, dass ich aufhöre, das wurde erst ein, zwei Tage vorher
entschieden. Ich habe ja die ganze Zeit gesagt, dass ich noch bis zum Sommer weitermachen
würde. Die Entscheidung war nicht einfach. Was ich auf gar keinen Fall wollte, war, auf
Wiedersehen zu sagen und dann zu Hause zu sitzen und zu denken: Mist, jetzt würdest du am
liebsten noch spielen. Warum hast du das gemacht? Aber mein Körper war einfach nicht mehr
toll. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Meinem Fuß, der im vergangenen Jahr operiert wurde,
ging es das ganze Jahr über nicht gut. Ich wusste, er würde auch in den kommenden Monaten
nicht besser werden. Das wäre doch jetzt ein toller Abschied.

ZEIT:
Sie haben während Ihrer 21 Jahre langen Karriere in der amerikanischen Profiliga
ausschließlich für die Dallas Mavericks gespielt. Die Fans lieben Sie auch deshalb, weil Sie
auf größere Titelchancen oder noch mehr Geld verzichtet haben. Der Club-Eigentümer Mark Cuban hat angekündigt, Ihnen die “größte, krasseste Statue der Welt” zu bauen und sie vor
das Stadion zu stellen. Auf Ihren blauen Basketballschuhen war das Wort “Loyalty”
eingestickt: Treue. Können Sie schon fassen, was da gerade passiert?

Nowitzki:
Das kommt jetzt wahrscheinlich ganz langsam. Aber nicht nur für mich, sondern auch für die
Fans und meine engsten Vertrauten. Es wussten ja nur eine Handvoll Leute, dass ich nach dem
Spiel meinen Abschied verkünden werde. Es war ein bisschen komisch, weil keiner so richtig
Bescheid wusste. Fünf Leute hatten eine Ansprache gehalten, und ich bekam auf einmal das
Mikro und wusste gar nicht so richtig, wie ich anfangen soll. Ich hatte mir keine Rede
zurechtgelegt, wollte mich lieber inspirieren lassen von den Fans und den Videos. Dann habe
ich einfach erzählt, was mir in den Sinn kam. Ich glaube, es ist trotzdem ganz gut geworden,
obwohl ich so emotional war, was bei mir gar nicht so üblich ist. Das werde ich für den Rest
meines Lebens nicht vergessen.

ZEIT:
Hatten Sie sich für den ersten Morgen nach dem letzten Heimspiel Ihrer Karriere einen Plan
gemacht? Oder saßen Sie einfach mit Ihrer Frau und den drei Kindern am Frühstückstisch und
haben sich gegenseitig angeschaut?

Nowitzki:
Das wäre schön gewesen. Wir sind nach dem Spiel gleich nach San Antonio geflogen. Da kam
ich natürlich total platt an und war so voller Adrenalin, dass ich nicht schlafen konnte,
obwohl ich sehr viel gespielt hatte an dem Tag. Aber ich konnte nicht zur Ruhe kommen. Ich
habe dann einfach ein paar Sachen auf Twitter und Instagram nachgeguckt und schließlich ein
paar Stunden geschlafen. Dann haben wir am nächsten Tag wieder gespielt, die
Spielvorbereitung war schon komisch. Das letzte Mal Pasta vor dem Spiel, das letzte Mal den
Anzug anziehen. Vor dem Spiel hat San Antonio dann für mich noch mal ein Video abgespielt,
da habe ich wieder angefangen zu weinen. Dass ein Auswärtspublikum mir mal so viel Respekt
entgegenbringen würde, das hätte ich nie gedacht.

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