/Brandschutz: “Wichtig ist die Ortskenntnis. Wo steht Statue A? Wo ist Reliquie B?”

Brandschutz: “Wichtig ist die Ortskenntnis. Wo steht Statue A? Wo ist Reliquie B?”

Am Montagabend zerstörte ein Brand eine der berühmtesten
Kirchen der Welt, Notre-Dame in Paris. Feuerwehrleute kämpften stundenlang mit
den Flammen, doch den Turm konnten sie nicht mehr retten. Jan Ole Unger von der
Feuerwehr Hamburg erklärt, ob Michel oder Rathaus ebenfalls einem solchen
Unglück zum Opfer fallen könnten und was die Hansestadt versucht, um das zu
verhindern.

ZEIT ONLINE: Herr
Unger, kann ein Brand wie in Paris auch Hamburg treffen, etwa den Michel oder
das Rathaus?

Jan Ole Unger: Der
Michel ist ja 1906 komplett abgebrannt. Der Turm stürzte ein und der Türmer,
der das Feuer gerade noch melden konnte, kam dabei ums Leben. Die
Erfahrungswerte aus diesem Feuer sind in den Wiederaufbau eingeflossen. Man
kann aber nicht sagen: “Das kann in Hamburg nie passieren!” Das wäre gelogen. In
klassischen Wohngebäuden gibt es Brandabschnitte, damit sich Feuer nicht
ausbreiten können. Das ist bei Kirchen mit ihren Kuppeln und Glockentürmen
nicht möglich. Im Kirchenschiff gibt es in der Mitte keine Brandwand oder eine
Brandschutztür, die wir schließen könnten.

ZEIT ONLINE: Der
Dachstuhl von Notre-Dame bestand aus unzähligen Holzbalken, was man von außen
gar nicht vermutet hätte. Was könnte denn in Michel und Rathaus brennen?

Unger: Im Michel
wurde auch viel Holz verbaut! Im Inneren befinden sich das Gestühl, die
Kanzel, die Orgel und die Empore mit Intarsienarbeiten. Im Rathaus gibt es
viele Vertäfelungen, Zwischendecken, Leitungen und Kanäle, die hinter der sichtbaren
Fassade laufen. Das können im Brandfall viele kleine Fallen für die Feuerwehr
sein, die man auf den ersten Blick nicht sieht.

ZEIT ONLINE: Das
heißt, da steckt ordentlich Zunder drin?

Unger: Das ist bei
allen historischen Gebäuden so. Da steht nicht Stein auf Stein, sondern
es sind allein durch die lange Bauzeit und durch Renovierungen immer wieder
neue Materialien dazugekommen. Sowohl in Notre-Dame als auch im Michel ist
alles sehr filigran, da findet ein Feuer reichlich Nahrung, und seien es nur
Holzstatuen, das Gestühl und die Bänke. Wenn eine gewisse Temperatur erreicht
ist, genügt das, um andere Gegenstände zu entzünden.

Brandschutz: Jan Ole Unger ist Sprecher der Hamburger Feuerwehr

Jan Ole Unger ist Sprecher der Hamburger Feuerwehr
© Feuerwehr Hamburg

ZEIT ONLINE: Werden
solche wichtigen historischen Gebäude anders gelöscht als ein herkömmliches
Wohnhaus?

Unger: Jedes
Feuer wird per se gleich bekämpft. Es gibt keine Taktik A für das Rathaus oder
eine Taktik B für den Michel. Wir hatten gerade erst eine Übung am Michel, bei
der die Steigleitung geprüft und erste Zugriffe trainiert wurden. Bei Notre-Dame war es etwa besonders schwierig, an den Dachstuhl ranzukommen, der ist 50 bis
60 Meter hoch.

ZEIT ONLINE: Besonders
kluge Menschen diskutierten Montagnacht ja gleich, ob man nicht Löschflugzeuge
oder -hubschrauber einsetzen hätte können.

Unger: Unsinn
kommentiere ich nicht. Aber man muss sich nur einmal vorstellen, was passiert, wenn Tausende Liter Wasser schlagartig auf vom Brand geschwächtes Mauerwerk treffen.

ZEIT ONLINE: In
Notre-Dame konnten immerhin unersetzbare Reliquien gerettet werden …

Unger: … und
jetzt wissen Sie auch, wieso dort 400 Feuerwehrleute im Einsatz waren. Viele waren
vermutlich damit beschäftigt, Kunstgegenstände zu retten. Das wäre auch in Hamburg
der Fall.

ZEIT ONLINE: Wissen
Sie, was Sie als Erstes rausholen müssen und wo das steht?

Unger: Deshalb
machen wir im Michel immer wieder Übungen mit den umliegend stationierten Wachen.
Wichtig ist die Ortskenntnis. Wo steht Statue A? Wo ist Reliquie B? Aber es gibt
keinen Evakuierungsplan. Das oberste Ziel ist immer die Menschenrettung. Dafür
setzen wir auch unser Leben ein, das haben wir geschworen.

ZEIT ONLINE: Was
können Sie tun, um solche Brände in Hamburg nach Möglichkeit zu verhindern?

Unger: Wir stehen
immer in engem Kontakt zum Michel oder zu anderen Einrichtungen. Bei Baumaßnahmen
werden wir sehr früh beteiligt. Dann organisieren wir beispielsweise eine Brandwache,
die einen Kleinbrand sofort löschen könnte.

ZEIT ONLINE: Können
Sie aus dem Brand in Paris für Hamburg lernen?

Unger: Dazu ist es noch zu früh, dort raucht ja noch alles.
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass alle Feuerwehren in Europa daran
interessiert sind, was die Pariser Kollegen für Erkenntnisse aus dem Unglück ziehen.

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