Die Ära des früheren
Vorstandschefs Martin Winterkorn ist bei VW lange vorbei. Sie endete im September 2015 mit dem Skandal, wegen
dem Winterkorn nun angeklagt ist. Die Abgasaffäre ist VW nicht so schnell losgeworden wie den CEO. Das liegt daran,
dass VW den Skandal nie vollständig und transparent aufgearbeitet hat. Der Konzern ist nicht an Aufklärung
interessiert, hat auch dreieinhalb Jahre später nicht offengelegt,
was alles schiefgelaufen ist, wo alles betrogen wurde.
Die Öffentlichkeit erfährt nur
Stück für Stück über die Medien und die Ermittlungsbehörden, was sich die VW-Ingenieure
und -Manager überlegt haben, damit auch die dreckigsten Diesel die Abgastests
bestehen. Für die illegalen Abschalteinrichtungen hat sich der
Konzern einen unverfänglichen Namen ausgedacht, der den Betrug
verschleiert: Umschaltlogik. Es besteht sogar der Verdacht, dass VW bei den Software-Updates, die eigentlich das Schummeln beenden sollten, erneut
versucht hat, zu betrügen.
Genauso wenig wie VW um
Transparenz bemüht ist, kümmert es sich um die Kundinnen und Kunden, die man
getäuscht hat und die nun den Schaden haben. Für die Dieselfahrer, deren Autos
deutlich an Wert verloren haben und die inzwischen aus manchen Innenstädten ausgesperrt
werden, hat VW nichts getan. Es gab keine Entschädigungszahlungen, keine Umtauschoption.
Die Umtauschprämien, die VW stattdessen anbietet, sind ein kaum
verstecktes Konjunkturprogramm, das
nur wenige Kunden nutzen. Zu einem umfassenden Software-Update
mussten
die Behörden VW zwingen, die Hardware-Nachrüstung will VW – so wie alle
Autobauer – nach wie vor verhindern. Der Konzern will nach der Umrüstung keine
Gewährleistung mehr für das Auto übernehmen. So stiehlt sich das
Unternehmen erneut aus der Verantwortung, den angerichteten Schaden eigenhändig
zu reparieren.
VW fühlt sich unangreifbar
Außerdem tut VW alles, um ein
höchstrichterliches Urteil zu verhindern, das betrogenen Kunden das Recht auf Schadensersatz
zusprechen würde. Entsprechende Gerichtsverfahren endeten bisher
auffällig häufig mit einem Vergleich. Der Verdacht liegt nahe, dass VW viel
Geld einsetzt, um Klägerinnen und Kläger ruhigzustellen und einen Präzedenzfall zu vermeiden.
Man will der Realität so lange wie möglich nicht ins Auge sehen.
Das alles zeigt, wie mächtig
sich VW nach wie vor fühlt. Es ist das größte Unternehmen der wichtigsten
deutschen Branche, der Staat ist über das Land Niedersachsen daran beteiligt –
was soll da schon passieren? VW schätzt seinen Stellenwert wie den einer großen
Bank: systemrelevant, ohne das Unternehmen bräche alles zusammen. Aber nach dem Hochmut kommt bei VW nicht der Fall. Denn die
Bundesregierung scheint diese Sicht zu teilen: Das Bundesverkehrsministerium
hat sich nur zu oft schützend vor VW und die ganze Branche gestellt.
Das Aufräumen überlässt man den Ermittlern
So macht VW weiter Gewinne, als wäre nichts gewesen. Leidtragende sind die Kunden und diejenigen, die die gefährlich dreckigen
Abgase einatmen müssen. In der Öffentlichkeit versucht VW, sich ein neues Image
zu geben: mit Investitionen
in Elektromobilität und neue
Mobilitätskonzepte. Das passiert aber nicht aus Reue, sondern weil die
Manager inzwischen verstanden haben, dass das die Geschäftsfelder mit Zukunft
sind. Die Frage ist, ob die Kunden VW noch vertrauen, unabhängig davon, ob Diesel
oder Strom das Auto antreibt.
Das Aufräumen nach dem Abgasskandal
übernimmt nicht VW, sondern überlässt es den Ermittlungsbehörden. Der Konzern hätte
es anders haben können: Schuldeingeständnis, lückenlose Aufklärung,
Entschädigung der Kunden. Das wäre schmerzhaft, aber heilsam gewesen. VW hat
sich dagegen für den Weg entschieden, der am Ende genauso schmerzhaft werden
dürfte, sich aber über viele Jahre hinzieht und weiteres Vertrauen kostet. So muss man zu dem Eindruck kommen: VW hat nichts gelernt.
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