/Wohnungsmarkt: “Mehr Wohnraum von Palermo bis Potsdam”

Wohnungsmarkt: “Mehr Wohnraum von Palermo bis Potsdam”

In die Diskussion um Wohnungsnot, hohe Mieten und mögliche Enteignungen hat
sich jetzt die Bundesjustizministerin eingeschaltet: Katarina Barley
(SPD) fordert höhere Steuern für  Vermietungsplattformen im Internet.
Portale wie Airbnb verstärkten die Wohnungsnot und trieben die Preise in
begehrten Städten in die Höhe, sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die
Europawahl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dabei zahle Airbnb
deutlich weniger Steuern als Hotels und Hostels.

Es gehe nicht nur darum, dass Plattformen wie Airbnb sich eine
goldene Nase verdienten, sagte Barley, vor allem verschärfe das Angebot
die Wohnraumprobleme in den Großstädten. “Weil in Berlin und anderen
europäischen Metropolen halbe Mietshäuser permanent für
Online-Vermietungen genutzt werden, wird der Wohnraum zusätzlich knapp”.
Das treibe auch die Vergleichsmieten und den Mietspiegel hoch.

Barley
plädiert darüber hinaus für Veränderungen im EU-Recht, um mehr Wohnraum zu
schaffen. Dazu will sie den EU-Schuldenpakt flexibler gestalten, damit
Kommunen mehr Geld für den Bau von Sozialwohnungen ausgeben können und
damit den Mietenanstieg und die Wohnungsnot in Europa bekämpfen. “Es
gibt in ganz Europa eine Wohnungskrise. Wir brauchen von Palermo bis
Potsdam schnell mehr sozialen Wohnraum”, sagte die SPD-Politikerin.

Eine weitere Möglichkeit sei, öffentliche Investitionen der
Kommunen für bezahlbares Wohnen von den Maastricht-Kriterien
auszunehmen, sagte Barley. Diese Kriterien erlauben den
EU-Mitgliedstaaten derzeit eine jährliche Neuverschuldung von höchstens
drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Sozialer Wohnungsbau scheitere
außerdem an den strengen europäischen Wettbewerbsregeln, sagte Barley.
“Diese müssen gelockert werden, damit wir mit öffentlichem Geld eine
stärkere soziale Durchmischung von Wohnquartieren erreichen können.”

Kommunen, die bei Neubauprojekten eine Quote von mindestens 30
Prozent sozial geförderter Wohnungen erreichen, könnten außerdem höhere
Zuschüsse aus den EU-Strukturfonds erhalten. Die Ministerin machte sich
damit die Forderungen einer neuen europäischen Bürgerinitiative zu
eigen, die binnen eines Jahres eine Million Unterschriften sammeln will,
um die EU-Kommission zum Handeln aufzufordern.

SPD bleibt bei Nein zu Enteignungen

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hatte in der Vorwoche mit seinem Kommentar zu möglichen Wohnungsenteignung
für Aufsehen gesorgt und damit die Diskussion um fehlenden Wohnraum
angeheizt. Wenn etwa Eigentümer brachliegender Grundstücke weder bauen
noch an die Stadt verkaufen wollten, müsse notfalls die Enteignung
folgen. Das Grundgesetz sehe solche Enteignungen zugunsten des
Allgemeinwohls grundsätzlich vor. Zuvor hatte bereits eine Berliner
Initiative vorgeschlagen, Wohnungen großer Konzerne zu vergemeinschaften: Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen sollen enteignet werden um die Mietpreise zu drosseln.

Den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte Habeck nun,
ihm sei bewusst, “dass das Wort Enteignungen auch böse Konnotationen
auslöst”. Aber seine Äußerungen hätten dazu beigetragen, dass über das
Thema jetzt breit diskutiert werde: “Und das ist überfällig.” Der
exorbitante Anstieg der Mieten sei durch die Politik nicht hinreichend
gebremst worden.

Barley bestärkte unterdessen das Nein der Bundes-SPD zu
Enteignungen großer Wohnungskonzerne. “Wir sind gegen Enteignungen. Die
sind zwar rechtlich möglich, aber es dauert sehr lange, um sie zu
durchzusetzen”, sagte die Ministerin. Enteignungen kosteten zudem viel
Geld, weil das Grundgesetz Entschädigung der Eigentümer verlange, fügte
Barley hinzu. “Das ist auch gut so. Wir können Wohnungsanbieter, die uns
nicht gefallen, nicht mal eben für einen symbolischen Euro
verstaatlichen. Wichtiger ist, dass gebaut wird, damit mehr Wohnraum
verfügbar ist.”

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