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Die Angst spielt mit

Sebastian Polter, der Stürmer des Zweitligisten 1. FC Union, hat am Freitagabend eine durchaus berechtigte Frage gestellt. „Was macht Mut?“, fragte Polter in die Runde, als er das 2:2-Unentschieden seiner Berliner gegen den SSV Jahn Regensburg zu erklären versuchte und sich gleichzeitig an einer Begründung für den eher matten Aufstiegskampf Unions abarbeitete.

Er antwortete gleich selbst. Mut bestehe darin, Fehler machen zu dürfen. Das sei legitim: Fehler machen, zu analysieren – „und dann einfach zu versuchen, Fehler zu minimieren und mutig nach vorne zu spielen.“ Sowieso und gerade „in einer solchen Phase“, befand Polter. Die Phase, die er meinte, nennt sich gemeinhin Saisonschlussphase. Sie ist für Union nicht ganz unerheblich, immerhin belegen die Berliner Position drei, können noch Platz zwei erreichen, aber eben auch auf Platz vier oder schlechter fallen. Es gibt also viel zu gewinnen – und gleichzeitig etwas zu verlieren. „Natürlich hast du Druck“, merkte Trainer Urs Fischer deshalb an. Und wo Druck herrscht, ist Mut nicht die allerschlechteste Lösung.

60-minütiges Tief, 30-minütiges Hoch

Aber was ist Mut nun? Angeblich soll diese Frage so auch schon mal einem Abiturjahrgang gestellt worden sein. Und der Legende nach, die weit und breit erzählt wird, habe es einen Prüfling gegeben, der ganz kurz geantwortet habe, mit nur einem Satz nämlich. „Das ist Mut“, soll der Satz gelautet haben, der auf einem leeren weißen Blatt zur Abgabe flatterte.

Ob es sich wirklich so zugetragen hat, ist nicht bekannt, fest steht, dass den Unionern zuletzt eine ähnliche Courage fehlte. Für das Spiel gegen den Tabellenachten aus Regensburg machte Trainer Urs Fischer jedenfalls ein „60-minütiges Tief“ aus, das in der Tat recht mutlos daherkam. Nach dem Regensburger 1:1- Ausgleich per Handelfmeter wirkten die Berliner doch arg gehemmt. Nicht sie waren es, die erneut in Führung gehen wollten, sondern die couragierten Gäste mit ihren schnellen Spitzen. Von Union kam viel zu lange nichts. Felix Kroos war zwar bemüht, ließ seinem Traumpass kurz vor dem 1:0 durch Andersson aber kaum noch starke Aktionen folgen. Grischa Prömel und Manuel Schmiedebach verstanden es genauso wenig, vielversprechende Angriffe zu initiieren, und auf der Außenbahn mühte sich Suleiman Abdullahi zwar nach allen Kräften, aber meist vergebens. Trott und Angst hatten sich eingeschlichen ins Berliner Spiel.

Das bewerteten Polter, Fischer und Gästetrainer Achim Beierlorzer – der dies mit dem guten Auftritt seiner Elf verband – ziemlich ähnlich. Erst später sei es besser geworden, als nämlich das „30-minütige Hoch“ (Fischer) begann. Just zu jenem Zeitpunkt, da die Köpenicker 1:2 in Rückstand lagen – nur 1:2 – und ohnehin nichts mehr zu verlieren hatten. In jener Phase also sei sein Team so aufgetreten wie gewünscht, urteilte der Trainer später. Mit viel Verve, Leidenschaft, teilweise auch spielerischer Klasse agierte der 1. FC Union zum Ende des Spiels hin – und vor allem mit dem festen Vorsatz, die Bälle scharf aufs Tor zu schießen. Kurzum: Genau so, wie es ein Aufstiegskandidat eben tun sollte. „Wir haben da viel, viel mehr Bälle gehabt, mit denen wir auch unseren Spielaufbau gestalten konnten, und sind so auch zu Torchancen gekommen“, bewertete Polter die gute letzte halbe Stunde der Berliner.

Das Signal hatte Fischer mit einem einfachen taktischen Kniff gegeben. Er wechselte den bis dahin fehlenden Mut kurzerhand ein. Erst kamen nach einer Stunde Spielzeit die offensiv ausgerichteten Robert Zulj und Joshua Mees, zehn Minuten später noch Polter. Sie alle wirkten belebend für das Berliner Spiel, und Polter sollte nach etwas über 80 Minuten die erfolgreiche Jagd nach dem Ausgleich krönen. Das persönliche Erfolgserlebnis machte Polter kaum froh. „Wieder nicht gewonnen, warum sollte ich ein glücklicher Torschütze sein?“, fragte er die Pressevertreter und gab seinen Teamkollegen dann noch einen Ratschlag mit auf den Weg: „Mutig sein für die letzten Wochen!“ Gegen Regensburg ging er mit gutem Beispiel voran.

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