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Krankheitsquote als Verbeamtungsrisiko

Berliner Beamte sind wesentlich häufiger dauerkrank als gleichaltrige Kollegen im Angestelltenstatus. Dies belegen Krankheitsstatistiken der Senatsverwaltung für Finanzen. Die Krankheitsquote der Beamten klafft in bestimmten Alterskohorten sogar um mehr als 100 Prozent auseinander. Der Landeschef des Berliner Beamtenbundes, Frank Becker, erklärt die Differenz gegenüber dem Tagesspiegel damit, dass „der wirtschaftliche Druck“ bei den Tarifbeschäftigten größer sei und sie daher „nicht vollständig gesundet“ wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten.

Wie groß der Unterschied sein kann, lässt sich am Beispiel der 40- bis 50-Jährigen zeigen. Bei den Angestellten sind drei Prozent von ihnen zwischen sechs Wochen und einem halben Jahr krank, bei den Beamten aber 6,5 Prozent. „Danach sind verbeamtete Lehrkräfte mehr als doppelt so häufig krank wie angestellte Lehrkräfte“, schlussfolgert Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). In einer „groben Kalkulation“ benötige man demnach 3,5 Prozent mehr Beamte. Wenn man dieser Kalkulation folgt, würde Berlin einen hohen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen müssen, um allein die zusätzlichen Kosten auszugleichen, die durch den höheren Vertretungsbedarf verbeamteter Lehrkräfte entstehen.
Die Krankheitsdauer ab sechs Wochen ist vor allem deshalb relevant, weil danach die volle Entgeltfortzahlung für Tarifbeschäftigte endet, für Beamte aber nicht, da ihnen eine unbegrenzte volle Lohnfortzahlung sicher ist. Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte im Rahmen der Verbeamtungsdiskussion den SPD-Bildungsfachkreis wissen lassen, dass der Krankenstand der Beamten „leicht höher“ sei. Dies widerspricht nicht nur den Dauerkrankendaten von Kollatz, sondern auch der Statistik über die absoluten Zahlen der Krankentage, die der Tagesspiegel kürzlich veröffentlich hatte.

Scheeres hat allen Grund, den Krankenstand nicht allzu hoch zu hängen, denn sie möchte wegen des Lehrermangels zur Verbeamtung zurückkehren. Kollatz hingegen liefert den Verbeamtungsgegnern die Argumente. Beide Standpunkte finden sich auch in einem SPD-internen Papier, mit dem die beiden Senatoren den Delegierten auf dem jüngsten Parteitag ihren jeweiligen Standpunkt darlegen und begründen wollten. Besonders brisant sind in dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, Kollatz’ Ausführungen zur hohen Dauerkrankheitsquote der Beamten.

Die Brisanz resultiert daraus, dass die Verbeamtungsdiskussion noch längst nicht vorbei ist. Zwar hatten die Delegierten des SPD-Parteitags am 30. März einen Antrag für die alternativlose Rückkehr zur Verbeamtung abgelehnt. Sie stimmten aber für einen Antrag, der die Verbeamtung zulässt, wenn dem Lehrermangel nicht mehr anders beizukommen lässt: Die Bildungssenatorin erhielt den Auftrag für eine „ergebnisoffene“ Prüfung.

Nachdem Scheeres aber seit vielen Jahren vergeblich versucht hat, den Lehrermangel anderweitig unter Kontrolle zu bringen, ist damit zu rechnen, dass sie das Thema bald wieder auf die Tagesordnung zurückholt – spätestens dann, wenn zum Sommer wieder nur ein Bruchteil der Neueingestellten gelernte Lehrer sein werden. Denn Scheeres geht davon aus, dass sie auch 2019 und 2020 wieder jeweils rund 2500 Lehrer einstellen muss – und nicht viel mehr ausgebildete Lehrer haben wird als 2018, als sie nur mit 675 Laufbahnbewerbern Verträge abschließen konnte. Dies jedenfalls teilte sie auf dem Parteitag mit – und zwar im selben Papier wie Kollatz: Die beiden Senatoren lieferten den staunenden Delegierten also in ein und demselben Papier ihren völlig unterschiedlichen Blick auf die Frage.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) macht sich seit wenigen Monaten öffentlich für die Verbeamtung stark.Foto: Thilo Rückeis

Dass die Verbeamtungsdiskussion schnell wieder akut wird – dafür spricht auch die Tatsache, dass mit dem entlassenen Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) zugleich der stärkste hausinterner Widerpart in der Verbeamtungsfrage weg ist. Da seine Nachfolgerin Beate Stoffers (SPD) thematisch sehr eng an der Seite der Senatorin steht, dürfte es von der Staatssekretärsebene keinen Gegenwind mehr geben. Zudem sind die SPD-Bildungsstadträte in der Verbeamtungsfrage auf Seiten der Schulsenatorin sowie aus der SPD-Fraktion der Vorsitzende Raed Saleh und Bildungspolitikerin Maja Lasic.

Der Finanzsenator lässt es daher nicht mit dem Argument der hohen Krankenquote bewenden, sondern bringt weitere Punkte. So legte er in seinem Papier dar, dass alle Einsparungen, die sich bei der Verbeamtung durch den Wegfall der Sozialversicherungsbeiträge ergäben – jährlich insgesamt 250 Millionen Euro – „vollständig aufgebraucht“ würden, wenn das Land in einen Pensionsfonds einzahlen würde. Das aber werde notwendig, da Berlin schon jetzt Pensionslasten von 58 Milliarden Euro aufgehäuft habe.

Als offene Flanke der Verbeamtungsbefürworter gilt die Tatsache, dass rund 6000 Angestellte nicht die Voraussetzungen für eine Verbeamtung erfüllen: Sie sind entweder zu alt oder zu krank, um den begehrten Status zu erlangen, weshalb es erneut zu großen Gerechtigkeitsdiskussionen in den Lehrerzimmern kommen würde. Diesem Punkt messen auch die – gegen die Verbeamtung eingestellten – Koalitionspartner sowie die GEW große Bedeutung bei. Ihnen versuchen die Verbeamtungsbefürworter den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem sie für diese 6000 Betroffenen hohe Zulagen in Aussicht stellen, die den Abstand zu den Beamten verringern sollen.

Der Finanzsenator versucht aber, den Befürwortern auch dieses Argument aus der Hand zu schlagen, indem er in seinem Papier schreibt, dass eine Verbeamtung der Lehrer finanziell nur dann „verantwortbar“ sei, wenn es keine weiteren Mehrbelastungen gebe: „Was in jedem Fall die Kostenbalance sprengt, wären zusätzliche Zulagen für angestellte Lehrkräfte“, schreibt Kollatz. Der Senator verweist auf Sachsen, das – infolge der jüngsten Rückkehr zur Verbeamtung – eine Zulage in Höhe von 170 Euro an Angestellte zahlt: „Solche Zahlungen machen aus der Verbeamtungsdiskussion eine Höherbezahlungsaktion für Lehrkräfte“, lautet Kollatz’ ablehnende Botschaft.

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